Raus aus dem Har(t)z IV!
beschert. Die Realität ließ die Blase in meinem Kopf zerplatzen. Es musste ja das Telefon klingeln. Ich konnte diese Technik hassen lernen. Gab es ohne dieses Gebot ständiger Erreichbarkeit nicht auch ein Leben? Wie haben die Menschen vor zwanzig Jahren gelebt, als noch nicht der Drang vorhanden war, ein kleines Gerät in der Tasche herumzuschleppen, dass mehr oder weniger regelmäßig klingelt, um Belanglosigkeiten oder vermeintlich wichtige Sachen mitzuteilen. Früher hat man sich getroffen. In Kneipen, Restaurants, Bars oder im Kino. Heute sendete man Textmitteilungen hin und her oder klingelt bei jedem quer sitzenden Furz durch und verlangt nach Mitleid. „Ja, bitte.“ Ich versuchte nicht ganz so genervt zu klingen, wie ich es eigentlich war. Aber es war ja auch ein einigermaßen guter Tag angesichts des Schnäppchens, das ich an diesem Morgen machen durfte. „ Hi, Diana! Und, schon zu Hause? “ Es war Tobias, wie könnte es anders sein. „Ich bin vor wenigen Minuten von Euch weg und schließe gerade meine Tür auf. Was gibt es denn?“ Jetzt war ich genervt. Was konnte in den wenigen Minuten passiert sein, in denen ich die Wohnung der drei Burschen verlassen habe und brauchte, um zu meiner Wohnung zu kommen? Weltuntergang hätte ich mitbekommen, Erdbeben auch und ich hatte den Eindruck, alle Details zu unserem Projekt und dem ersten Objekt, welches verkauft werden sollte, ausführlich erklärt zu haben. Hat er nicht sogar mitgeschrieben? So eine Frage ‚ Schon zu Hause ‘ – wo sollte ich sonst sein, auf dem Mond etwa? Und dafür hat er mich aus meiner Phantasiewelt geworfen! „ Hee, meine Kleene, nich so aggressiv, wa. Herzchen, ich wollte Dir doch nur sagen, dass der olle Schinken jetzt im Internet steht. Daumen drücken also. “ – „Na das klingt ja gut, jetzt lass mich aber mal reingehen und meinen Sonntag genießen. Lass uns morgen wieder telefonieren, ok?“ ich beendete das Gespräch damit und war das erste Mal fühlbar unhöflich. Kein ‚Auf Wiederhören‘, kein ‚Auf bald‘ oder ‚Bis dahin‘, nur ein einfaches ‚ok‘ bevor ich den Hörer auflegte und mich in mein Wohnzimmer machte. Ich erkannte mich selbst nicht wieder. Dabei wollte er mir nur seine Freude zeigen, dass es auch für ihn endlich losging mit unserem Projekt. Aber ich hing noch immer meinem Traum nach, aus dem er mich mit seinem Anruf gerissen hat. Ich warf meinen Mantel nur über den Sessel und ließ mich auf meine Couch fallen. Den Blick nach oben gerichtet versuchte ich noch einmal, den eben zerstörten Traum wieder vor meine Augen zu holen und ihn weiter zu Träumen. Südseeparadies, einsamer Strand im Lichte des Sonnenuntergangs und Michael, der mich in seinen Armen hielt. Oh mein Gott, ich glaube ich habe mich verliebt. Obwohl ich mich gegen das Wort ‚verliebt‘ etwas sträubte. Ich nannte es eher ‚emotional involviert‘. Das klang nicht so persönlich. Vor allem aber bezeichnete es nichts, was ich so lange schon in meinem Leben vermisst hatte. Sicher, an meine erste Liebe konnte ich mich noch erinnern, auch an andere kurze Techtelmechtel danach. Aber dann habe ich mir meine eigene Welt so um mich herum aufgebaut, dass darin kein Platz war für einen Mann. Ich hatte mein Leben selbst in der Hand. Hatte niemanden, um den ich mich kümmern oder auf den ich Rücksicht nehmen musste und kam damit bislang mehr als gut zurecht. Bis jetzt. Jetzt fühlte ich das erste Mal, wie gut sich dieses Gefühl anfühlt. Hatte ich das tatsächlich all die Jahre unterdrücken können? Ich nahm ein Kissen und presste es auf mich, während ich auf der Couch lag. Ich drückte es an mich, um etwas an mir zu spüren und mich daran festzuhalten. Wie schön wäre es, wenn aus diesem Kissen plötzlich Michael erwachsen würde. Ein Gefühl, dass mich einschlafen und weiter träumen ließ. Nur für diesen Traum wollte ich mich dieser Schwäche noch hingeben. Nur dieses eine Mal mir vorstellen, mit ihm, mit Michael zusammen zu sein.
***
Als ich wieder aufwachte, es war gerade kurz nach Mittag, beschloss ich, dieses Schwäche und meine Gefühle zu vergessen. Ich tat sie selbst für mich nur als Illusion ab; als Umstand der ohnehin nie eintreten würde und vermutlich dem Fakt geschuldet war, dass ich in den vergangenen Tagen und Wochen nahezu täglich zu diesen drei Männern und zu Michael gehabt hatte. Eine rationale Begründung musste in meinen Kopf, an die ich glauben und mich daran festhalten konnte. Denn es kann nicht wahr
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