Rausfliegen mit Erfolg

dies sehr schnell als Führungsschwäche ausgelegt. Obwohl sich jeder höfliche Gesprächspartner schon in der Begrüßung nach der Befindlichkeit seines Gegenübers erkundigt, scheint das wirkliche Interesse an dessen Gefühlswelt noch kürzer zu sein als die ausgesprochene Floskel „Hallo, wie geht’s?“ oder „How are you?“. Eine andere Antwort als „Danke, bestens“ oder noch besser „How are YOU?“ würde in einem Business Talk nur irritieren. Daran haben auch Bücher zum Thema „Emotionale Intelligenz“ noch nichts geändert.
    Wie relevant sind angesichts dieser Überlegung also Aussagen von Personalverantwortlichen über freigesetzte Arbeitnehmer und deren emotionale Reaktion auf die Übermittlung der unerfreulichen Botschaft. Ist ein „ Er wirkte sehr gefasst“, ein „ Er hat seine Kündigung erstaunlich gut aufgenommen “ oder „ Er ist ein Profi und hat das cool weggesteckt “ eine Erkenntnis darüber, dass sich der Rausflieger im Gespräch vernünftig verhalten hat, oder kann man wirklich auf den aktuellen Gemütszustand des Gekündigten schließen? Dass es mit dem Einfühlungsvermögen der HR-Verantwortlichen bei Trennungsgesprächen nicht zum Besten bestellt ist, reflektiert das diesbezügliche Schulungsangebot. Blickt man beispielsweise auf die Agenda eines Seminars mit dem Titel „Trennungsgespräche fair gestalten“, angeboten vom Outplacement-Spezialisten DBM, sieht man auf einen Blick, dass dem Thema „Reaktionsmuster der Gekündigten“ die mit Abstand meiste Aufmerksamkeit geschenkt wird.
    Ich habe in meinen Interviews bewusst Fragen gestellt, die explizit über das Faktische eines Trennungsgesprächs hinausgehen, nämlich: „Was waren Ihre ersten Gedanken? Beschreiben Sie, wie die gesamte Situation auf Sie wirkte? Fällt Ihnen ein passender Vergleich ein? Wie haben Sie sich gefühlt?“
    Ich habe die emotionale Komponente aufgegriffen und Betroffene eingeladen, über das zu erzählen, was sie vielleicht in ihrem Innersten begraben hatten, um es so vor der rationalen Geschäftswelt zu verbergen. Viele haben diese Einladung angenommen. Und so kann ich Ihnen vor Augen führen, was während eines Trennungsprozesses „hinter den persönlichen Kulissen“ passiert. Nachfolgende Schilderungen lassen gefährdete Arbeitnehmer erahnen, was mit einer überraschenden Kündigung emotional auf sie zukommt. Und als Repräsentant des Unternehmens bekommen Sie eine Idee davon, was in Ihrem Gegenüber vorgehen kann. Die Dimension wird Sie zumindest überraschen.
    Natürlich sind Menschen verschieden.
    Persönlichkeitsstruktur und private Lebensumstände zum Zeitpunkt des Jobverlusts schaffen unterschiedliche Ausgangspositionen für die Zeit nach der Kündigung. Wer in Familie und Freundeskreis gut eingebettet ist, vielschichtige Interessen und Talente besitzt und über eine positive Grundeinstellung verfügt, ist auf den ersten Blick klar im Vorteil gegenüber einem Menschen, der lebt, um zu arbeiten, und seinen Job als einzigen Lebensinhalt sieht. Bei näherer Betrachtung merkt man jedoch schnell, dass es keinen Vorteil ohne Nachteil gibt. Wer Familie hat, muss sie auch versorgen. Wer andere Interessen hat, muss sie meist auch finanzieren. Wer eine positive Grundeinstellung hat, kann sie ganz schnell verlieren, wenn er von einem Ereignis aus der Bahn geworfen wird. Letztendlich durchläuft jeder Mensch, der seinen Job verliert, dieselben emotionalen Phasen, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen. Die folgenden Seiten sind mit Erinnerungen gefüllt. Sie stammen aus jenen Minuten und Stunden, als Rausflieger ihre Kündigung durchlebten und dem Zeitraum zwischen Aussprache und endgültigem Vollzug der Trennung durch den Arbeitgeber. Es sind nicht die Fakten, sondern Gedanken und Gefühle der Betroffenen, die hier reflektiert werden.
    Gedankenreise
    Gedanken sind frei.
    Darum würden manche Menschen in gewissen Situationen auch einen satten Geldbetrag springen lassen, um Ihre Gedanken zu kennen. Unsere Gedanken sind unser wirkliches Geheimnis. Gedanken bieten uns jederzeit die Möglichkeit, zu verreisen. Schon in der Schule waren langweilige Stunden bestens dazu geeignet. Heute bieten mäßig interessante Vorträge, Präsentationen und Meetings eine hervorragende Startbasis für den