Rausfliegen mit Erfolg
musste ich meine eigenen Mitarbeiter, die ich persönlich nicht mehr angetroffen habe, von zu Hause aus anschreiben.
haben sie mir zwar unendlich viel Kohle gegeben, aber meine langjährige Mobiltelefonnummer, die ich bei Dienstantritt mitgebracht habe, nicht?
durfte ich mich nicht mehr in Ruhe von meinen Kolleginnen und Kollegen verabschieden, sondern wurde vor deren entsetzten Augen mit dem Sicherheitsdienst zum Ausgang geleitet?
gibt es für Mitarbeiter, die von sich aus kündigen, ein Austrittsgespräch, um sich ein ehrliches und ungeschminktes Feedback zu holen, für gekündigte aber nicht?
musste ich meine Unterlagen aus dem Home-Office umgehend holen und abgeben, aber auf mein Zeugnis dann wochenlang warten?
musste ich mich von meiner Frau abholen lassen? Hätten sie mir nicht noch den einen Tag den Dienstwagen lassen können?
musste ich drauÃen vor dem Bürogebäude warten? Damit mich alle sehen, die von der Kantine gegenüber kommen? â
Die implizit immer wieder gestellte, aber nicht offen ausgesprochene Frage lautete:
âWarum verhielt sich mein Arbeitgeber, auf den ich immer stolz war, der mich während meiner Firmenzugehörigkeit auch stets fair behandelt hatte, dem ich â wie im Trennungsgespräch betont wurde â keinen Grund für eine Entlassung geliefert habe, am Ende so ausnehmend feindselig? Warum wurde ich wie ein Verbrecher behandelt, ohne ein Verbrechen verübt zu haben? Warum fehlt am Ende plötzlich der Respekt?â
Jeder Firmenvertreter wird diese Aussage natürlich entrüstet zurückweisen und betonen, sich strikt an die vorhandenen Richtlinien gehalten zu haben. Gleichzeitig werden Gegenfragen gestellt, beispielsweise: â Warum
verstehen Dienstnehmer nicht die Notwendigkeit von Sicherheitsvorkehrungen ohne Ausnahme?
kümmern sich freigesetzte Dienstnehmer eigentlich noch um ihren Arbeitsplatz?
freuen sie sich nicht über eine unmittelbare Dienstfreistellung, die ihnen mit einem Schlag alle Probleme vom Hals schafft und dafür zusätzliche Freizeit bringt? â
Da wie dort agieren und reagieren Menschen, die versuchen, die entstandenen Probleme aus ihrer Sicht und auf ihre Weise zu bewältigen. Menschliches Verhalten kombiniert stets rationale Elemente mit Emotionen. Nur der Mix dürfte auf den beiden Seiten signifikante Unterschiede aufweisen.
Interviewte Personal-Manager und Führungskräfte pochen auf die gebotene Sachlichkeit und argumentieren mit ihrem âProblemlösungsauftragâ.
â Wenn es ein Problem gibt, wir dieses lokalisiert haben, dann wird es auch gelöst, und zwar umgehend. Dafür werden wir bezahlt. Alles andere wäre fahrlässig dem Unternehmen gegenüber. â
Als zur Freisetzung bestimmter Mitarbeiter mutieren Sie aus Sicht der Unternehmerseite also von einer wertvollen Ressource zu einem Problem. Plötzlich stören Sie den geplanten Ablauf. Also weg mit Ihnen!
Sollten Sie sich nun unmenschlich behandelt fühlen, hat dies durchaus seine Richtigkeit. Denken Sie daran, Sie rangieren auf einer internen âTo-Solve-Listâ vielleicht gerade zwischen einer Containerladung unverkäuflicher Ware und einem Werbekatalog in Millionenauflage, der wegen dummer Druckfehler nicht ausgeliefert werden kann. Beides kostet das Unternehmen unter Umständen so viel wie Ihr Jahresgehalt. Also verinnerlichen Sie sich auf dem letzten Weg vom Konferenzraum, in dem das Trennungsgespräch stattgefunden hat, zurück in Ihr Leider-nicht-mehr-Büro Folgendes: âIch bin nicht mehr DIE Stütze des Unternehmens oder DER loyale Mitarbeiter. Ich bin DAS Problem.â Ein Problem wird nicht mit Fanfaren und Farewell verabschiedet, sondern beseitigt, am besten durch die Hintertür. Seien Sie froh, dass nur Ihre Sachen in einen braunen Karton gepackt wurden.
Druck erzeugt immer Gegendruck.
Das ist wie mit dem Drängeln auf der Autobahn. Wenn Sie einem Raser im Weg sind, möchte er Sie als im Weg befindliches Problem am liebsten pulverisieren. Und weil er zu Ihrem Glück keine Lenkwaffen, sondern nur ein Lenkrad an Bord hat, versucht er Sie mit der Lichthupe âwegzubeamenâ. Es könnte sein, dass sich im heranrasenden Wagen ein zeitlich etwas in Rückstand geratener Manager auf dem Weg zu einem superwichtigen Geschäftstermin befindet. Er hat nichts gegen Sie. Er will nur weiterkommen. Trotzdem wirkt sein Verhalten feindselig, um nicht zu sagen
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