Rausfliegen mit Erfolg
und trotzdem nicht in der Lage sind, einen klaren Gedanken zu fassen. Es lässt sich unschwer ausmalen, wie es in diesen Momenten um die Aufnahmebereitschaft für externe Botschaften bestellt ist. Gekündigte sind so mit sich selbst beschäftigt, dass sie AuÃeneinflüsse entweder gar nicht oder nur aus ferner Distanz und irgendwie unrealistisch wahrnehmen.
Als kompetenter Gesprächspartner auf der Arbeitgeberseite des Verhandlungstisches wissen Sie: Jetzt ist es an Ihnen, die Botschaft wirken zu lassen, aufmerksam die Reaktion abzuwarten und das Gespräch zum richtigen Zeitpunkt bedachtsam wieder aufzunehmen. Ein unreflektiertes Fortführen der einseitigen Unterhaltung ist zwecklos. Wenn Sie es trotzdem tun, dürfen Sie sich mit einem Polizeivertreter vergleichen, der dem Täter seine Rechte während dessen Verhaftung vorliest, nachdem dieser von Beamten angeschossen wurde.
Wenn Sie das für überzeichnet halten, dann begeben wir uns auf die zweite Ebene, die neben der Gedankenebene einem soeben gekündigten Arbeitnehmer im Trennungsgespräch zu schaffen macht: die Gefühlsebene.
Im Schockraum
â Ich war schockiert. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Ich habe den Boden unter den FüÃen verloren. Ich fiel aus allen Wolken. Was für ein Schock. Es war wie bei meiner Scheidung vor Jahren. Ich fühlte mich der Willkür meines Arbeitgebers hilflos ausgeliefert. Eine einseitige Machtdemonstration. Eine Hinrichtung. â
Der Schock sitzt tief.
Ein Betroffener spricht vom Koma-Patienten-Syndrom: Seinen Körper verlassen, an die Decke schweben und von dort vermeintlich unbeteiligt die Szene überblicken. Man denkt und spricht später von sich in der dritten Person. Ein anderer definiert diesen Zustand als Reduktion des Seins . Man verfällt in roboterhaftes Denken, agiert praktisch wie ferngesteuert . Nur, dass die Fernsteuerung niemand bedient. Selbst jene, die mit der Kündigung gerechnet, sie im Vorfeld gar begrüÃt hatten, waren vom tatsächlichen Ereignis geschockt. So kehren gerade Gefeuerte an ihren Arbeitsplatz zurück, als ob nichts geschehen wäre. Wie betäubt gehen sie in ein Meeting oder an die nächste Aufgabe heran, ohne das eben Erlebte zu realisieren. Oder sie erscheinen fröhlich in der Kantine, um dem gesamten Mittagstisch mit einem Lächeln auf den Lippen zu eröffnen, was ihnen gerade passiert ist, ohne die entsetzten Gesichter zu registrieren. Der Schock unterscheidet sich kaum von jenem eines Unfallopfers, das schwer verletzt keinerlei Schmerzen verspürt.
Eine Situation, die besonderes Fingerspitzengefühl vonseiten des Unternehmensvertreters erfordert. Ungeübte Gesprächspartner interpretieren ein aus dem Schockzustand resultierendes übersachliches Verhalten als professionelle Einstellung und merken nicht, dass ihre Botschaften nicht ankommen. Sie treiben den Trennungsprozess zügig weiter, bis sie zu einem späteren Zeitpunkt durch heftige Emotionen des Betroffenen in den Verhandlungen weit zurückgeworfen werden. Dieser Fehler passiert besonders bei den Verdrängern unter den Kündigern. Sie klassifizieren ihrerseits die Freisetzung eines Mitarbeiters als normalen Geschäftsakt, einen Job wie jeden anderen, der schlieÃlich gemacht werden muss, und verschwenden keinen Gedanken an die Notwendigkeit, Feedback zu interpretieren. Im â für den Gekündigten â schlimmsten Fall kommt dieser nie aus dem Schockzustand heraus. Der Arbeitgeber ist dann vielleicht billig davongekommen, der Rausflieger allerdings dauerhaft traumatisiert, die Karriere vorbei. Eine späte Erkenntnis, die umso heftigere Reaktionen auslösen kann.
Andere lassen sich fallen. Sie fallen in das vielzitierte schwarze Loch, weil keiner da ist, der sie hält. Betroffene fühlen sich in der Sekunde unverstanden und allein gelassen. Sie erkennen ihre grenzenlose Einsamkeit daran, dass auf der Gegenseite zwar viele mitdenken, aber keiner mitfühlt. Sie durchleben eine massive Krise und sehen weit und breit kein Interventionsteam.
Natürlich ist Mitgefühl durch den Kündiger eine Gratwanderung. Viele verwechseln mangels professioneller Vorbereitung Mitgefühl mit Mitleid. Besonders konsenssuchende Freisetzer begeben sich so in Gefahr, von den Gefühlen des Betroffenen eingenommen zu werden und ebenfalls in eine Krise zu stürzen. Sie betreiben Solidarisierung zur falschen
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