Rausfliegen mit Erfolg
Sie die Szene ja aus Ihrer Familie. Meist werden Sie bei derartigen Vorträgen irgendwann mit dem Hinweis unterbrochen: âHe, wir wohnen nicht erst seit gestern da. Und wir sind groà genug, um auf uns selber aufzupassen, meint ihr nicht?â Genau das ist der Haken. Während Sie die berechtigte Frage Ihrer Kinder mit einem lächelnden âIhr habt ja rechtâ quittieren, haben Sie als scheidender Arbeitnehmer kein Verständnis dafür, dass es auch ohne Sie geht.
â Wenn meine geleistete Arbeit so wichtig und mein Beitrag so wertvoll war, wie ich immer gehört habe, warum konnte das Unternehmen so leicht, und vor allem so kurzfristig, auf mich verzichten? Ich fühlte meine Arbeit im Nachhinein entwertet. Ich fragte mich, ob das in meinen Mitarbeitergesprächen ausgesprochene Lob wirklich ernst gemeint war. Ich war gespannt, wie genau die Firma den Bereich jetzt so strukturiert, dass sie mich nicht mehr brauchen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie sie das jetzt ohne mich hinbekommen. â
Gekündigten Arbeitnehmer fällt es schwer nachzuvollziehen, wie es jetzt ohne sie weitergehen soll, wenn sie doch so wertvoll für das Unternehmen waren. Eine Uhr bleibt stehen, wenn man auch das noch so kleinste Rädchen aus ihrem Werk entfernt. Warum und wie kann ein Unternehmen also weiter existieren, wenn es ein ganzes Riesenrad entfernt? Ein Top-Manager, der ein groÃes Team geführt hat, kann dies in der Trennungsphase ebenso schwer verstehen, wie ein Experte aus einer Fachabteilung, der immer als unverzichtbar bezeichnet wurde. Chefs tun alles, um diesen subjektiven Eindruck zu verstärken. Sie fordern Erreichbarkeit rund um die Uhr und Verfügbarkeit an Wochenenden, pochen auf Abgabetermine und jammern, wenn man einmal länger als eine Woche auf Urlaub gehen möchte. All das lässt bei engagierten Arbeitnehmern den Eindruck der Unersetzlichkeit entstehen. Ein Eindruck, der sich nicht einfach wegwischen lässt.
Wenn umsichtige Führungskräfte und Personalverantwortliche das Kündigungsgespräch und die Zeit bis zum letzten Arbeitstag auch dafür verwenden, um scheidenden Mitarbeitern ihre Wertschätzung auszudrücken, wenn sie dies auch merkbar für die verbleibende Belegschaft kommunizieren, dann lösen sie den Psychologischen Vertrag mit den Betroffenen fair und akzeptabel. Wenn sich die Geschäftsführung diese Botschaft aber sparen möchte, dann erhält sie dafür im Gegenzug eine andere, die da lautet:
â Ihr habt den Falschen rausgeworfen. â
In ihrem Streben nach der vorenthaltenen Wertschätzung setzen sich Rausflieger noch mal richtig in Szene.Sie präsentieren sich mit höchstem Engagement von ihrer besten Seite, um allen zu zeigen, worauf das Unternehmen in Zukunft verzichten muss. Betroffene geben offen zu, worauf es ihnen ankam:
â Ich wollte, dass es ihnen wirklich schwer fällt. Es sollte ihnen leidtun. â
â Ich wollte sehen, was ich wert war. Ich wollte spüren, wie gut ich war. â
â Mein schönster Augenblick: Nach meiner Abschlusspräsentation vor dem Vorstand entstand eine peinliche Pause, bis mir mein Boss mit etwas belegter Stimme für meine ausgezeichnete Leistung dankte. â
â Ich brauchte noch einmal das Bad in der Menge. Eine Mitarbeiterin meinte: ,Sie haben für uns die Firma repräsentiert, was sollen wir jetzt ohne Sie machen?ââ
â Mit jeder Sympathiebezeugung eines einzelnen Mitarbeiters baute ich mein Selbstbewusstsein wieder auf, das man mir kaputt gemacht hatte. â
â Zu meiner Verabschiedung kamen mehr Leute als zur letzten Abteilungsweihnachtsfeier. â
â Die Tränen, die ich bei meiner letzten Runde in den Augen meiner Mitarbeiter gesehen habe, waren mir mehr wert als das Geld. â
Wenn Ihnen als Führungskraft die Vorstellung Unbehagen bereitet, dass sich ein scheidender Mitarbeiter im Sinne seiner eigenen Positionierung ins Rampenlicht setzt, dann erinnere ich Sie nochmals an den Psychologischen Vertrag. Wenn Sie im Rahmen eines fairen Trennungsprozesses der Würdigung des Mitarbeiters und seiner Leistung Platz einräumen, werden Sie nicht vertragsbrüchig. Und Sie lösen den Psychologischen Vertrag nicht gänzlich auf. Ich kenne genügend Beispiele, wo freigesetzte Mitarbeiter ihren ehemaligen Arbeitgeber immer noch würdigen, nicht zuletzt aufgrund des entgegengebrachten
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