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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Stock herab, sondern kamen von draußen, aus der Halle. Füße polterten die Treppe hinunter, dröhnten auf den Dielenbrettern. Dann wurde die Tür aufgerissen.
    Anne Devlin stürzte in den Raum, das Gesicht zu einer Maske des Schreckens verzogen. Sie war leichenblass, und ihr Atem ging in kurzen, keuchenden Stößen.
    Was, um alles in der Welt, hatte Spider mit der jungen Frau gemacht? Und überhaupt - wo war Spider?
    Genau diese Frage schien sich Jazz auch zu stellen. Der Lauf seiner Maschinenpistole ruckte hoch.
    Anne Devlin schien die tödliche Gefahr, in der sie schwebte, nicht mal zu bemerken. Ungeachtet der entsicherten Maschinenpistole schwankte sie weiter auf den Killer zu, während sie kaum verständliche Worte vor sich hin murmelte. Raven glaubte, ihre Wort zwar fragmentarisch zu verstehen, aber das, was sie sagte, ergab ganz einfach keinen Sinn.
    »Die Toten ...«, wisperte Anne. »Die Toten ... Spider ... die Leichenhand ... erwürgt ...«
    Jazz starrte sie an wie ein Gespenst, als sie vor ihm auf die Knie fiel und ihre bebenden Finger um den Lauf der Waffe legte.
    »Erschieß sie!«, bettelte Anne. »Erschieß sie alle, Jazz ... Die Toten ... Die Toten da draußen vor dem Haus ...«
    Etwas in ihrer Stimme, in ihren flackernden Augen veranlasste Jazz, nicht sofort abzudrücken. Seine Beine setzten sich wie von selbst in Bewegung und trugen ihn hinüber zu dem großen Wohnzimmerfenster, das auf den Hof hinausging.
    Er hatte es noch nicht ganz erreicht, als die Gesichter hinter der Scheibe erschienen.
    Sie alle sahen sie - Anne, Jazz, Seymour und Raven. Es waren Totengesichter, Fratzen des Jenseits und der Nacht. Sie pressten sich dicht an die vom Nebel milchigen Scheiben, wie um hereinzuspähen, und aus ihren mumifizierten Zügen sprach eine Drohung, die grässlicher war als alles, was sich die vier Menschen je hatten vorstellen können.
    Und dann tauchte das andere Gesicht hinter der Scheibe auf - das Gesicht Janice Lands!
    Von Grauen gepackt, keuchte Raven atemlos auf. Janice' Antlitz war seltsam entspannt, fast so, als befände sie sich in Trance. Es schien ihr nicht das Geringste auszumachen, dass all diese Schreckensgestalten sie umringten. Jetzt lächelte sie sogar, fern und unirdisch entrückt.
    Bei diesem Anblick glaubte Raven endgültig, den Verstand zu verlieren. War das überhaupt noch die Janice, die er kannte und liebte? Lebte sie noch, oder war sie schon einer der Untoten, ein wandelnder Leichnam, der nur noch äußerlich Ähnlichkeit mit Janice Land hatte?
    Er wusste es nicht. Und vielleicht wollte er es auch gar nicht wissen. Eine grenzenlose Passivität legte sich über ihn, ein tödliches Gespinst aus Resignation und Apathie. Zu viel war in der letzten Stunde auf ihn eingestürmt. Jetzt, so wurde ihm auf einmal klar, war auch er an dem Punkt angelangt, den Seymour Devlin schon vor einiger Zeit erreicht hatte. Jetzt würde auch er, Raven, zerbrechen.
    Seltsam. Es machte ihm nicht einmal etwas aus.
    Wie aus weiter Ferne vernahm er, wie Jazz einen gequälten Schrei ausstieß, der nichts Menschliches mehr an sich hatte. Und ebenso distanziert registrierte er das abermalige Hochzucken der Waffe, den Finger, der sich um den Stecher krümmte und ...
    Doch dann begriff er, dass die Mündung der Maschinenpistole genau auf Janice' Gesicht hinter dem Fenster gerichtet war!
    Und auf einmal zerriss das Gespinst.
    Ob tot oder lebendig, ein Mensch oder ein Zombie - das da draußen war Janice, die Frau, die er liebte. Vielleicht war sie tot, aber wenn dem so war, dann konnte er ihr immer noch ins Totenreich folgen. Irgendwo, das wusste er mit absoluter Gewissheit, gab es bestimmt einen Weg, über den sie wieder zusammenkommen konnten. Und wenn nicht in dieser Welt, dann eben in der anderen - in der Welt der Schatten.
    Auf jeden Fall würde er nicht zulassen, dass Jazz Janice Land mit einer Salve aus seiner Maschinenpistole entstellte!
    Während Jazz die Waffe hochzog, hatte er einen Schritt rückwärts gemacht. Das brachte ihn in die Reichweite der ungefesselten Füße Ravens.
    Der Privatdetektiv trat zu und stieß dem Killer die Beine unter dem Körper weg. Einen Herzschlag lang schwankte Jazz nur, doch dann kippte er um.
    In einem verzweifelten Versuch, das Gleichgewicht zu bewahren, fuchtelte er mit den Händen. Der Lauf der MPi bekam so eine neue Richtung - und mit ihr auch der Feuerstoß, der in diesem Augenblick daraus hervorzuckte. Instinktiv schmiegte sich Raven dichter an den Boden, um diesem

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