Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
paar Augenblicke noch, und alle seine Probleme waren vorbei. Nie wieder Kummer, Leid oder Schmerz, nie wieder Denken. Für Panik und Entsetzen gab es nicht den geringsten Grund ... nicht den geringsten Grund ... nicht den geringsten Grund ...
    Mit einem jähen Ruck fuhr Brian McDermott zusammen. Was war das eigentlich für ein Blödsinn, den er da dachte? Den er da dachte? Waren das überhaupt noch seine eigenen Gedanken, seine eigenen Gefühle? Er fuhr sich mit der Zunge über die ausgetrockneten Lippen. Sein Atem ging stoßweise, und sein Kopf begann zu dröhnen wie eine der großen Glocken von Big Ben, als er versuchte, sich gedankliche Klarheit über das zu verschaffen, was hier eigentlich vorging. Krampfhaft bemühte er sich dabei, nicht wieder auf das entsetzliche, pulsierende Ei zu blicken, das immer noch in seinen Handflächen ruhte.
    Aber er konnte förmlich spüren, wie ein immaterieller Sog seinen Kopf herabzog und seine Augen wieder auf das anthrazitfarbene Gebilde in der von seinen Händen gebildeten Halbschale zu lenken versuchte. Obwohl es Brian gelang, all seine Kraft zusammenzunehmen und den Blick nicht wieder voll auf das Ei zu richten, bemerkte er aus den Augenwinkeln, dass sich das Pulsieren noch verstärkt hatte. Es dauerte eine ganze Weile, bis er plötzlich begriff, woher er diesen einschläfernden und hilflos machenden Rhythmus kannte.
    Es war derselbe Rhythmus, der seine Gedanken schon auf dem Wege hierher, ins innere Sanktum von Stonehenge, beherrscht hatte. Derselbe Rhythmus, in dem er einen Fuß vor den anderen gesetzt hatte, als er über den felsigen Untergrund schlurfte.
    Er hatte das Ei nicht zufällig gefunden.
    Es hatte ihn hierher gelockt!
    Und in dem Augenblick, als er diese entsetzliche Wahrheit erkannte, begann das Ei plötzlich auseinander zu platzen.
    Zuerst war es nur eine Unregelmäßigkeit im Pulsieren des eiförmigen, pelzigen Körpers, eine irritierende rhythmische Anomalie, die Brian auf den unglaublichen Vorgang aufmerksam machte. Er ertappte sich dabei, wie sich sein Nacken langsam beugte und sich seine Augen ganz allmählich wieder auf das Ei ausrichteten, obwohl er jede nur mögliche Anstrengung unternahm, das zu verhindern. Aber diesmal schaffte er es nicht.
    Seine Nackenmuskulatur erschlaffte einfach, bis sein Kopf herabsank. Ein überwältigendes Gefühl völliger Hilflosigkeit im Angesicht der unheimlichen Macht überkam ihn. Obwohl der scheußliche suggestive Einfluss, den er zuvor in seinem Kopf verspürt hatte, nicht wieder zurückkehrte, fühlte sich Brian mehr denn je wie ein Roboter, wie eine willenlose Maschine aus Fleisch und Blut, die von einem fremden, übermächtigen Geist gesteuert wurde. Der Gedanke war so entsetzlich, dass Brian beinahe froh war, als sich der seltsame Veränderungsprozess des Eis fortsetzte und ihn daran hinderte, den Gedanken weiterzuverfolgen.
    Das Pulsieren, vormals nur unregelmäßig, hörte jetzt mit einem Male ganz auf. Das Anthrazitschwarz des Eis schien sich noch zu vertiefen, und dann bildete sich in der borkigen Außenschale, zunächst kaum sichtbar zwischen den kristallinen, dicht an dicht stehenden Härchen der Pelzumhüllung, ein daumennagellanger Riss, der sich rasch erweiterte. Ein seltsames, unwirkliches Leuchten drang aus dem Riss - ein Leuchten, das in genau demselben Rhythmus pulsierte wie zuvor das ganze Ei. Und aus diesem Leuchten heraus rollte etwas Kleines, Schwarzes in Brian McDermotts Handfläche.
    Es war eine winzige anthrazitfarbene Kugel. Und ihr folgten noch mehrere weitere.
    Zwei ... drei ... fünf.
    Am Ende waren es sieben der kleinen Kügelchen, die sich gegen Brian McDermotts fahle, von feinem Schweiß überzogene Handflächen abzeichneten. Der junge Mann starrte sie mit einem Ausdruck völligen Nichtbegreifens an. Seinen instinktiven Abscheu unterdrückend, brachte er sein Gesicht näher an die Kügelchen heran, um sie genauer in Augenschein nehmen zu können. Diesmal bedurfte es nicht einmal eines fremden Einflusses, um ihn dazu zu bewegen. Seine Neugier allein reichte völlig dazu aus.
    Einen Augenblick später wünschte er sich, er hätte nicht so genau hingeschaut.
    Denn die Kügelchen begannen sich wieder zu bewegen - aus eigener Kraft. Mit einem Male wurde Brian McDermott klar, dass sie winzige Beinchen hatten, wie kleine schwarze Spinnen. Und sie schienen auch über Sinnesorgane zu verfügen, mit deren Hilfe sie sich orientieren konnten, denn offenbar wussten sie genau, wohin sie wollten. Sie

Weitere Kostenlose Bücher