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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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versammelten sich in einer langen Reihe auf seiner linken Handfläche - und zwar präzise entlang jener sich um den Daumenballen zum Handgelenk krümmenden Hauteinkerbung, die die Handleser als Lebenslinie bezeichneten.
    Dann bohrte die vordere, dem Handgelenk nächste »Spinne« ein Loch in Brian McDermotts Hand und war im nächsten Augenblick darin verschwunden.
    Der Schock war entsetzlich. Wie ein eisiger Blitzstrahl fuhr er Brian McDermott durch den ganzen Körper, ließ seine Muskeln zittern und seine Zähne wie im Fieber aufeinander schlagen. Unwillkürlich öffnete der junge Mann die zusammengelegten Hände, und durch den entstehenden Spalt fiel die nun leere, nutzlose Hülle des dämonischen Eis zu Boden, wo sie beim Aufprall vollends in zwei ausgezackte Hälften zerbrach.
    Aber darauf achtete Brian nicht. Seine Augen konnten in diesen sich unendlich lange hinziehenden Sekunden nichts anderes wahrnehmen als die grausige Prozession der sieben »Spinnen«, die eine nach der anderen durch das von der Vordersten gebohrte Loch in seinen Körper eindrangen.
    Würgender Ekel stieg in Brian McDermott auf, als er zusah, wie die widerlichen Geschöpfe auf ihren beinahe mikroskopisch feinen schwarzen Beinchen auf das rot umränderte Loch zukrochen, sich hineinschwangen und wie in einer Tunnelöffnung verschwanden. Und wahrscheinlich war das Loch auch genau das - der Beginn eines Stollens, den die erste »Spinne« in sein Fleisch hineintrieb.
    Denn jetzt spürte Brian, wie eine Kältewelle sein Handgelenk von innen überschwemmte und gleich darauf weiter in den Unterarm schwappte. Nur wenige Sekunden später schien der ganze Arm bis hinauf zum Schultergelenk nicht mehr zu Brian McDermotts Körper zu gehören. Es war ein widerwärtiges Gefühl, ärger als der schlimmste Schmerz, den Verletzungen dieses Ausmaßes unter normalen Umständen ausgelöst hätten, der aber hier zu Brians ungläubigem Erstaunen völlig ausblieb.
    Vom Schultergelenk ab verzweigte sich das Kältegefühl plötzlich. Eine breite Straße zog sich entlang Brians Schlüsselbein zu seinem Herzen hinunter, eine andere verfolgte die Krümmung seines Schulterblatts in Richtung Rückgrat - und eine dritte stach wie ein eisiger Finger geradewegs hinauf in sein Gehirn.
    Da endlich begriff Brian McDermott, dass er nur noch Sekundenbruchteile als eigenständige Persönlichkeit zu leben hatte.
    Die »Spinnen«, die sich durch seinen Körper fraßen und dabei hartwandige schwarze Tunnel wie ein zweites, zusätzliches System von Schlagadern hinter sich zurückließen, waren dabei, ihn in einen lebenden Roboter zu verwandeln. Was dem Dämonen-Ei nicht durch hypnotische Beeinflussung gelungen war, sollte nun durch direkte organische Kontrolle bewerkstelligt werden!
    Aber warum?, schrie Brian McDermott lautlos. Was wollt ihr von mir, wer immer ihr auch seid? Wozu benötigt ihr meinen Körper?
    Die »Spinnen« antworteten nicht, obwohl sie jetzt mühelos dazu in der Lage gewesen wären. Inzwischen hatten sie nämlich Brians Gehirn erreicht und schalteten sich in dessen Funktionen ein. Brian bemerkte es daran, dass sich seine Gedanken rettungslos zu verwirren begannen.
    Er fing an, Gefühle zu riechen, abstrakte Konzepte zu schmecken. Seltsam halluzinatorische Erinnerungsbilder schoben sich vor sein inneres Auge und explodierten gleich darauf wieder in bitteren, stechenden Farbkaskaden. Und plötzlich bildeten sich inmitten dieses amorphen Chaos noch einmal zwei klare Gedanken, doch auch sie konnten die endgültige Auflösung dessen, was einmal der Verstand eines Menschen gewesen war, nicht mehr verhindern.
    Marjorie, dachte Brian McDermott. Allan.
    Und dann: Ob es wohl das gewesen ist, das Barry Lamb zu seinen Wahnsinnstaten getrieben hat?
    Danach war nichts mehr.
    Das Gedränge der Leute rings um den schwarzen Opferstein nahm immer mehr zu. Die Menschenmenge stieß und schob derartig, dass Marjorie McDermott alle Hände voll zu tun hatte, nicht von ihrem Sohn Allan getrennt zu werden - vor allem, weil sie gleichzeitig auch noch versuchte, einen Blick auf die eher unscheinbare, glatt polierte Steinplatte zu werfen, auf der den Berichten der Zeitungen zufolge Betty Malloy unter den Händen des »Schlächters von Stonehenge« ihr Leben ausgehaucht hatte. Aber immer wieder schoben sich Köpfe, ausgestreckte Arme und breite Schultern in ihr Gesichtsfeld.
    Wenn nur Brian da gewesen wäre! Vielleicht hätte er ihr eine Gasse bahnen, sie gegen den Druck der sie umgebenden

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