Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
anzutreten!
Bei dem Gedanken daran lief Jeff Target ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Dass die sieben geflohenen Thul Saduum irgendwann aus dem Dunkeln heraus die ahnungslose Menschheit angreifen würden, daran konnte kein Zweifel bestehen. Die Frage war nur, wann das geschah - und wo die Dämonen sich in der Zwischenzeit verborgen hielten. Weder er noch Raven hatten darauf eine Antwort gewusst, als sie sich kurz nach Ravens Entlassung aus dem Krankenhaus auf dem Heathrow Airport voneinander verabschiedeten.
Schlimmer noch als diese wie ein Damoklesschwert über ihm lastende Ungewissheit aber war die Tatsache, dass er sich schuldig fühlte - schuldig am Entkommen der Dämonen, schuldig an dem unvorstellbaren Unheil, das in absehbarer Zeit der Welt drohte. Wenn er sich wenigstens in der Lage gesehen hätte, die Öffentlichkeit über die grässliche Gefahr zu informieren!
Aber selbst das war unmöglich. Keine Zeitung der Welt hätte seinen Bericht über die Geschehnisse in Stonehenge gedruckt - und selbst wenn, dann wäre er höchstens wenige Stunden darauf von ein paar netten jungen Männern in weißen Kitteln abgeholt und an einen schön ruhigen Ort gebracht worden, wo er hinter Schloss und Riegel und unter dem Einfluss von Psychopharmaka darüber hätte nachdenken können, wie sinnlos es war, einer durch und durch materialistisch eingestellten Welt die unbequeme Wahrheit zu verkünden, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gab, als die Schulweisheit sich träumen ließ.
Und er konnte es der Welt nicht einmal verdenken. Bis vor wenigen Wochen hatte er ja selbst nicht an Geister und Dämonen geglaubt. Wenn er allein daran dachte, wie er mit Raven umgesprungen war, als der zum ersten Mal andeutete, dass Barry Lamb vielleicht kein gewöhnlicher Killer sein könnte, sondern ein nichtmenschliches, dämonisches Schattenwesen ...!
Der Reporter zuckte zusammen, als sein Blick durch die Windschutzscheibe auf das überdimensionale Schild fiel, das rechts neben der Straße die Wüstenlandschaft verschandelte. Zuerst hielt er es für eine Fata Morgana, aber dann formten sich die roten, von unprofessioneller Hand mit Hilfe irgendwelcher Schablonen auf die riesige, staubüberkrustete Fläche gepinselten Buchstaben in seinem Geist zu sinnvollen Worten, und er schluckte einmal schwer.
»RALPHS WÜSTENIMBISS - Speisen und kalte Getränke!«
Und daneben prangte ein Pfeil, der schräg nach unten deutete und wohl anzeigen sollte, dass sich Ralphs Wüstenimbiss direkt hier befand, kurz hinter dem Schild, und nicht erst fünfzig Meilen weiter.
Budweiser, dachte der Reporter. Coors. Schlitz. Ganze Dosenstapel davon, frisch aus dem Kühlschrank. Und vielleicht sogar im Sechserpack zum Mitnehmen. Es war zu schön, um wahr zu sein.
Im Schritttempo ließ er den Chevy an dem verheißungsvollen Schild vorüberrollen - und sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. Auf einmal begriff er, warum er bisher nichts von dem Imbiss gesehen hatte.
Er war so klein, dass das Schild ihn vollständig verdeckte, wenn man aus dieser Richtung kam.
Aber er wollte Ralphs Wüstenimbiss kein Unrecht tun. Andererseits war es wirklich ein ziemlich großes Schild.
Fröhlich pfeifend lenkte Jeff Target den Chevrolet in die winzige Parkbucht der Raststätte.
Als er ausstieg, ließ er den Zündschlüssel einfach stecken. In einer solchen gottverlassenen Einöde wäre alles andere lächerlich gewesen.
Lässig schlug der Reporter die Wagentür hinter sich zu und schritt durch den Sonnenglast zu der Imbissstube hinüber. Während er die wenigen Meter bis zum Eingang zurücklegte, musterte er den Bau ein wenig genauer. Er erinnerte in seiner Gesamtheit an einen überdimensionalen Schuhkarton mit gläserner Front. Angesichts des Flachdachs konnte Jeff Target nur hoffen, dass der Imbiss über eine gute Klimaanlage verfügte. Andernfalls musste es dort drinnen bullig heiß sein, da auch das Riesen-Werbeschild keinerlei Schatten spendete. Dafür stand die Sonne auf der falschen Seite des Himmels.
Mit ausgestreckten Armen stieß er die Schwingtüren der Raststätte auf und schob sich ins Innere. Der Schwall kalter Luft, der ihm entgegenschwappte, raubte ihm fast den Atem. Der Imbiss hatte eine Klimaanlage - und was für eine! Voller Vorfreude leckte sich Jeff Target über die trockenen Lippen. Wenn das Bier in diesem Laden auch nur halb so kalt war wie die Luft, dann konnte eigentlich gar nichts mehr schiefgehen ...
Neugierig ließ er seine
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