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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Blicke durch den Gastraum schweifen. Eine chromblitzende, mit allerlei Stickern beklebte Theke. Ein paar Plastiktische mit Metallbeinen, umstanden von ebensolchen Stühlen, die ein bisschen altersschwach wirkten. Aber nirgendwo eine Menschenseele.
    Jeff Target räusperte sich. »Keiner zu Hause?«, erkundigte er sich mit halblauter Stimme.
    »Nein«, ertönte es hinter der Theke hervor. »Hier ist niemand. Sie haben leider völlig umsonst angehalten. Versuchen Sie's am besten mal anderswo. Die nächste Raststätte ist kurz vor San Pedro, knapp 150 Meilen von hier.«
    Jeff grinste. Er machte einen langen Schritt in Richtung Theke, lehnte sich darüber und hielt nach der Quelle der Stimme Ausschau. Eines hatte er über sie schon herausgefunden: Sie war unzweifelhaft weiblich.
    Der direkte Augenschein bestätigte das.
    Sie sah ungefähr so aus wie eine gelungene Mischung zwischen Walküre und Marilyn Monroe. Sie trug hochschäftige weiße Cowboystiefel, einen kniekurzen, jetzt ziemlich weit nach oben gerutschten blauen Rock mit einem weißen Schürzehen darüber, eine weiße Kellnerinnenbluse und ein blaues Käppi, das gefährlich schräg auf ihrem blonden Haarschopf saß. Und sie kniete hinter der Theke, weil sie gerade dabei war, einen Karton mit Tiefkühlfrühlingsrollen und tiefgefrorenen Chinasuppen auszupacken und seinen Inhalt in einem großen Eisschrank zu verstauen.
    »Angenommen, es wäre jemand hier«, meinte Jeff, »bestände dann die Möglichkeit, einen doppelten Hamburger und eine Dose Bier zu bekommen? Ich habe nämlich noch nicht gefrühstückt.«
    Sie hob den Kopf und blickte ihn von unten herauf an, ohne in ihrer Arbeit innezuhalten. »Na klar«, sagte sie ernsthaft. »Ist ja schließlich ein Imbiss, nicht wahr?«
    »Ja, das stand auch auf dem Schild da draußen«, nickte Jeff. »Glauben Sie, dass es Sinn hat, sich hinzusetzen und so lange zu warten, bis jemand kommt?«
    Jetzt lächelte sie zum ersten Mal. »Kann schon sein.« Mit einem schnellen Griff holte sie eine Dose Coors-Bier aus dem Kühlschrank und reichte sie Jeff Target. Die Dose war so eisig, dass er sie beinahe gleich wieder hätte fallen gelassen. »Nehmen Sie derweil schon mal die. Damit das Warten nicht so trocken wird.«
    Jeffs Grinsen wurde noch breiter, als er die Metalllasche der Dose aufriss und einen ersten kräftigen Schluck nahm. Weltraumkälte breitete sich in seinem Magen aus. »Und Sie sind also Ralph?«, erkundigte er sich, während er die Bierdose auf der Chromfläche abstellte. Mit der anderen Hand angelte er nach einem der Hocker, die in einem unordentlichen Pulk vor der Theke herumstanden. Er hatte auf einmal keine große Lust mehr, sich an einen der Tische zu setzen. Irgendwie gefiel es ihm hier erheblich besser.
    Die Blondine ließ ein undefinierbares Geräusch ertönen, das ebenso gut ein verächtliches Schnauben wie ein jungmädchenhaftes Kichern sein konnte. »Nur aushilfsweise«, erklärte sie. »Normalerweise ist Ralph ein Zwerg, der immer hochspringen muss, wenn er eine Frikadelle auf den Grill legen will. Sie erkennen ihn an seiner Glatze und den traurigen Dackelaugen, falls Sie wieder mal hier vorbeikommen sollten.«
    Sie erhob sich, knallte die Kühlschranktür mit dem Knie zu und klopfte sich die mit feinen Eiskristallen übersäten Hände an der Schürze ab. Jeff blickte sie mit offenem Mund an. Sie war ungefähr einen Meter siebenundachtzig groß und damit nur etwa einen halben Kopf kleiner als er. Mit ihrem Käppi überragte sie ihn sogar um vielleicht einen Fingerbreit.
    »Lassen Sie mich noch mal raten«, sagte er erschüttert und ließ sich auf den Barhocker sinken. »Brünhilde?«
    Er hatte einige Schwierigkeiten mit der Aussprache des ›U‹, aber anscheinend verstand sie trotzdem, was er meinte. Während unter ihren geschickten Fingern der Hamburger Gestalt annahm, kehrte das Lächeln von vorhin auf ihr Gesicht zurück, aber diesmal, um zu bleiben.
    »Und wussten Sie eigentlich, dass Sie wie Flash Gordon aussehen?«, erkundigte sie sich.
    Jeff hob ungläubig die Augenbrauen. »Trotz der ersten grauen Haare?«
    »Buster Crabbe ist bestimmt auch nicht mehr der Jüngste.« Ein undefinierbarer Blick zwischen Zwiebelringen und Ketchup traf ihn. Trotz der hervorragenden Arbeit der Klimaanlage kam Jeff Target langsam ins Schwitzen. Er nahm einen weiteren Schluck von dem flüssigen Sauerstoff, den sie hier als Coors-Bier verkauften, und versuchte dadurch, ein bisschen Zeit zu gewinnen. Aber sein Gehirn

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