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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wollte ihm einfach keine brauchbare Antwort mehr liefern.
    »Na, passen Sie?«, erkundigte sich die Blondine immer noch lächelnd, aber ansonsten unbewegt.
    Jeff nickte resigniert. »Ich fürchte, ja.«
    Die Augen der Blondine begannen in beinahe kindlicher Freude zu funkeln. Sie klatschte begeistert in die Hände, drehte sich um, zog einen Bleistift aus der Brusttasche ihrer Bluse und machte damit einen dicken Strich auf ein Blatt Papier, das hinter der Theke an der Wand hing. Jeff Target beugte sich ein Stück weiter vor, um erkennen zu können, was es mit dem Blatt auf sich hatte.
    Eine senkrechte schwarze Linie teilte es in zwei ungefähr gleich große Hälften. Über der linken Hälfte stand EDDIE, und dort drängten sich bereits eine ganze Reihe von Strichen. Über der rechten, in der es bisher nur sehr wenige Bleistiftstriche gab, stand ALLE ANDEREN.
    »Siebenundvierzig zu fünf«, sagte die Blondine. »Nicht schlecht für diese Woche.«
    Sichtlich erschüttert tastete Jeff nach der Bierdose, musste aber feststellen, dass die inzwischen wie durch Zauberei leer geworden war.
    »Sie sind Eddie?«, fragte er mehr der Form halber, weil er die Antwort ohnehin schon kannte. Die Bierdose klang sehr hohl, als er mit Daumen und Zeigefinger den Deckel knacken ließ.
    »Ja, in der Tat«, sagte die Blondine. »Eigentlich heiße ich ja Edda - Edda Hagen. Aber da alle hier Eddie zu mir sagen, können Sie's ruhig auch tun. Und Sie müssen nicht SOS morsen, wenn Sie ein neues Bier haben möchten. Ihr Hamburger ist übrigens auch fertig. Essen Sie ihn an der Theke?«
    Bei diesen Worten fiel Jeff Target zum ersten Mal auf, dass das Mädchen mit einem kaum merklichen Akzent sprach. Normalerweise hielt er sich für einen guten Beobachter - eine unerlässliche Voraussetzung, um in seinem Beruf erfolgreich zu sein -, aber wahrscheinlich hatte ihn die äußere Erscheinung der schlagfertigen Blondine bisher zu sehr abgelenkt, als dass er auf solche Dinge wie ihre Aussprache geachtet hätte.
    »Sie sind Deutsche, nicht wahr?«, erkundigte er sich. »Der Akzent ...«
    Eddie hob überrascht eine Augenbraue. »Ja«, bestätigte sie, während sie ihm den Teller mit dem Hamburger und ein neues Bier hinschob. »Hört man ihn so deutlich? Ich dachte, er würde sich langsam verlieren.«
    Jeff zuckte die Achseln. »Wenn man ihn deutlich hören würde, wäre er mir schon zu Anfang aufgefallen«, sagte er, ohne einen Versuch zu machen, ihr zu schmeicheln. Bei diesem Mädchen hätte das böse enden können. »Eigentlich hat mich erst Ihr Name darauf gebracht«, fuhr er fort. »Und was hat Sie nach Amerika verschlagen, wenn ich fragen darf?«
    »Sie dürfen«, sagte sie, während sie dabei zusah, wie er sich mit gesundem Appetit über den Hamburger hermachte und der Ketchup rechts und links zwischen den Brötchenhälften hervorquoll. »Ich bin als Au-pair-Mädchen in die Staaten gekommen. Nach San Francisco, um genau zu sein. Aber da hat es mich nicht lange gehalten.«
    »Wieso?«, fragte Jeff um eine Mund voll Rinderhack herum. »Gefiel Ihnen die Stadt nicht?«
    »Nein, der Hausherr«, sagte Eddie. »Er war mir zu ungebildet. Vor allem in Geografie. Ich komme schließlich aus Deutschland, aber er wollte es trotzdem unbedingt französisch.«
    »Und was hat er gekriegt?«
    »Einen Teller heißes Chili - mitten ins Gesicht.«
    Nachdenklich tunkte Jeff den letzten Rest Ketchup mit einer Gurkenscheibe auf. »Und seither ...?«
    »Seither ziehe ich quer durchs Land und jobbe überall da, wo man nicht so genau nach einer Arbeitserlaubnis schaut. Na, hat's geschmeckt?« Mit flinken Fingern räumte sie den leeren Teller und das schmutzige Besteck fort und ließ beides irgendwo in einem Spülstein verschwinden.
    »Ja, danke«, nickte Jeff Target.
    In diesem Augenblick ertönte draußen das albtraumhafte, an den Todesschrei eines Dinosauriers erinnernde Kreischen gewaltiger Bremsen, gefolgt von einem scharfen Knall und einem widerlichen Knirschen. Beinahe simultan wirbelten Eddie Hagen und Jeff Target herum. Ihr Geplänkel war mit einem Schlag vergessen.
    Was sie sahen, ließ ihnen den Atem stocken.
    Draußen, auf der Auffahrt zur Parkbucht, stand ein knallrot gestrichener Reo Speedwagon, einer jener schweren Schnelllaster, die einen Großteil des Frachtverkehrs von Küste zu Küste bewältigten. Seine gewaltige Masse wippte nach der Vollbremsung immer noch über der Vorderachse auf und ab.
    Und halb unter der gewaltigen, chromblitzenden Schnauze begraben

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