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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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lag ein durch die Wucht des Aufpralls zu einem beinahe unkenntlichen Metallklumpen zusammengedrücktes Chopper-Motorrad. Es musste dem riesigen Truck direkt frontal unter die hauerartige Stoßstange gerast sein - fast wie ein kleines Raubtier, das einem viel größeren Gegenspieler an die Kehle springt, obwohl es ganz genau weiß, dass es nicht die geringste Chance hat und mit seinem Leben für seinen aberwitzigen Mut bezahlen wird.
    Aber der Anblick dieses zerrissenen und verdrehten Choppers war noch längst nicht das Schlimmste, obwohl auch er allein schon ausgereicht hätte, Übelkeit und Entsetzen auszulösen.
    Das Schlimmste war der Fahrer des Choppers, der mit weit ausgestreckten Armen und entsetzlich verzerrtem Gesicht wie eine menschliche Kanonenkugel auf die Frontscheibe der Raststätte zugeflogen kam.
    »Runter!«
    Mit der Geschwindigkeit langjährigen Trainings hatte Jeff Target die Gefährlichkeit der Situation erkannt. Er handelte, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern.
    Noch während er Eddie die Warnung zurief, setzte sich sein durchtrainierter, vom jahrelangen Footballspielen stahlhart gewordener Körper wie von selbst in Bewegung. In einem einzigen mächtigen Schwung flankte der Reporter über die Imbisstheke, wobei er alles herunterfegte, was eben noch auf ihr gestanden hatte, und riss Eddie mit dem ganzen Gewicht seiner zweihundert Pfund zu Boden.
    Die Blondine gab ein überraschtes und vielleicht auch ein bisschen empörtes Keuchen von sich, als Jeff schwer wie ein Grizzly auf ihr zu liegen kam und ihren Körper mit seinem abdeckte, und trommelte mit den Fäusten gegen seine Brust. Unter anderen Umständen hätte Jeff Target die Situation sicherlich amüsant gefunden, aber jetzt sah er vor seinem inneren Auge immer nur das Gesicht des Motorradfahrers, und das ließ ihm jedes Grinsen und jeden zweideutigen Gedanken vergehen.
    Sekundenbruchteile später zerbarst die Glasfront von Ralphs Wüstenimbiss in eine Million scharfkantiger Splitter.
    Gläserne Dolche jeder Größe und Form zischten wie von einer gewaltigen Explosion getrieben quer durch den Raum, klirrten gegen Wände und Boden. Jeff spürte, wie durch das Material seines Hemdes und seiner Hose hindurch Speere nach seinen Rippen, seiner Hüfte und seinen Oberschenkeln stachen. Etwas Scharfkantiges streifte seinen Nacken, und augenblicklich tröpfelte ein dünnes, warmes Rinnsal an seinem Ohr entlang, lief ihm über die Schläfe und versickerte in seinem blonden Haarschopf.
    Zwischen seinen Zähnen knirschten winzige Glaspartikel. Der Aufprall musste mit so großer Wucht erfolgt sein, dass ein Teil der Scheibe regelrecht pulverisiert worden war.
    Was das dem Körper des Motorradfahrers zugefügt hatte, wollte sich Jeff Target lieber gar nicht erst ausmalen ...
    Übergangslos verstummte das Klirren und Dröhnen.
    Mühsam und benommen vor Schock rappelte sich der Reporter hoch, wobei er mehr instinktiv als bewusst darauf achtete, sich nicht Hände und Knie an den tückisch herumliegenden Splittern zu zerschneiden. Dann erhob er sich vorsichtig auf die Füße und spähte über die gleichfalls mit Glas übersäte Theke hinweg auf die andere Seite. Eddie tat es ihm gleich. Er konnte hören, wie sie scharf die Luft durch die Zähne einsog und ein tonloses »Oh, Mann!« hervorstieß, als sie sah, was für Verwüstungen der die Glasfront durchschlagende Körper angerichtet hatte.
    Von der Scheibe war nichts mehr übrig, nicht das kleinste bisschen. Und das Innere der Raststätte sah aus, als wäre eine Bombe darin detoniert. Kein Tisch, kein Stuhl, kein Barhocker stand mehr an seinem Platz. Einige waren einfach nur zur Seite geschleudert worden, andere hatte es regelrecht in ihre Einzelteile zerlegt. Herumfliegende Metallteile hatten tiefe Dellen in die von geschossschnellen Splittern zerschrammte Chromabdeckung der Theke geschlagen. Von den imitierten Kristallleuchtern unter der Decke war nicht ein Einziger heil geblieben. Und überall, auf jedem Quadratzentimeter, lag Glas.
    Durchsichtiges Glas.
    Milchig getrübtes Glas.
    Blutiges Glas.
    Draußen, im gefühllosen Licht der Sonne, stieg der Trucker aus seinem roten Reo Speedwagon. Selbst auf diese Entfernung konnte Jeff Target erkennen, dass sein Gesicht zu einer Maske des Grauens verzerrt war und er am ganzen Leibe zitterte, als er vom Trittbrett heruntersprang. Wahrscheinlich war er noch nie in seinem Leben an einem derartig scheußlichen Unfall beteiligt gewesen.
    Geistesabwesend zupfte Jeff

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