Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
dieser Welt nicht geben durfte.
Es war Dämonenwerk.
Das Werk der Thul Saduum.
Und genau in dem Augenblick, als Jeff das erkannte, begann sich die Leiche zu bewegen. In dem schrecklich zugerichteten Kopf öffneten sich von Glassplittern zerschnittene Augen. Ein verdrehter Arm reckte sich hoch, tastete blindlings umher. Die fast fingerlose Klauenhand öffnete und schloss sich in konvulsivischen Zuckungen. In der nach oben gewandten Handfläche konnte Jeff Target ein rot umrändertes Loch erkennen.
Kleine schwarze Kügelchen hatten dieses Loch gefressen. Daran konnte es für Jeff Target nicht den geringsten Zweifel geben.
Jene, die jetzt wieder daraus hervorgekrabbelt kamen ...
»Und Sie wollen allen Ernstes behaupten, dass sieben dieser ... dieser Thul Saduum irgendwo auf der Welt nur darauf warten, die Menschheit zu versklaven oder vielleicht sogar zu vernichten? Entschuldigen Sie, aber das - das kann ich nicht glauben. Das will ich auch nicht glauben!«
Raven blickte den etwa fünfzigjährigen, distinguiert wirkenden Mann im schwarzen Nadelstreifenanzug, der ihm auf der anderen Seite des niedrigen Rauchtisches gegenübersaß und in sichtlicher Erregung mit den Händen in der Luft herumfuchtelte, lange an. Seit über zwei Stunden versuchte er nun schon, Sir Anthony Gifford, seines Zeichens Sonderbeauftragter Ihrer Majestät der Königin für besonders heikle diplomatische Missionen, von der Existenz und der Gefährlichkeit der Thul Saduum zu überzeugen. Aber Sir Anthony weigerte sich immer noch, das Offensichtliche anzuerkennen, und eigentlich konnte Raven es ihm nicht einmal verdenken.
»Ja«, sagte Raven müde und starrte in das leere Portweinglas, dessen Stiel er bedächtig zwischen den Fingern hin und her drehte, »genau das ist es. Sie wollen nicht daran glauben. Aber das ändert nichts an den Tatsachen. Die Thul Saduum sind da, und sie sind - wenn Sie mir den Vergleich gestatten - so gefährlich wie alle Atombomben der Welt zusammengenommen. Und die können Sie auch nicht entschärfen, indem Sie ihre Existenz hartnäckig ableugnen.«
In diesen letzten zwei Stunden hatte sich eine stille Verzweiflung in Raven breit gemacht. Wenn es ihm nicht einmal gelang, Sir Anthony von der Richtigkeit seiner Geschichte zu überzeugen, an wen sollte er sich dann noch wenden? Immerhin war Sir Anthony Gifford in den letzten Monaten mindestens drei Mal - wenngleich indirekt - mit dem Wirken dämonischer Mächte konfrontiert worden. Zum einen hatte er Raven, Janice Land und den beiden Polizeibeamten Card und Kemmler die Rückkehr aus dem vom Krieg zerrissenen Irak nach England ermöglicht, nachdem das Quartett von den dämonischen Schattenreitern durch das unwirkliche Schattenreich des Assassinen zum Chat-el-Arab entführt worden war. Natürlich gab es dafür keine handgreiflichen Beweise, aber andererseits war es Sir Anthonys Mitarbeitern bis heute nicht gelungen, herauszufinden, wie Raven und die drei anderen den mehrere Tausend Meilen langen Weg von den Britischen Inseln in das Kriegsgebiet zurückgelegt hatten, ohne sich dabei herkömmlicher Verkehrsmittel wie etwa eines Flugzeugs zu bedienen.
Nur wenige Wochen nach diesem mysteriösen Ereignis war dann Hillary Gifford, Sir Anthonys reichlich ausgeflipptes Töchterchen, in den verlassenen U-Bahn-Schächten unter London beinahe dem Wirken von Sothon, einem im Auftrag der Thul Saduum handelnden Gestaltwandler-Halbling, zum Opfer gefallen, der seinen albtraumhaften Herren ein Tor auf die Erde der Gegenwart öffnen wollte. Obwohl Hillary und die mehreren Hundert anderen Beinahe-Opfer Sothons gnädigerweise die meisten Details ihrer Erlebnisse während der unterirdischen Dämonenbeschwörung vergessen hatten, reichte das Wenige, was sie zu berichten wussten, zusammen mit den von Raven und Inspektor Card gegebenen Darstellungen aus, um bei den zuständigen Behörden größte Betroffenheit auszulösen.
Natürlich war der Vorfall sorgfältig vertuscht worden, genau wie das Auftauchen Ravens und seiner drei Begleiter am Chat-el-Arab. Aber Sir Anthony hatte den ausführlichen, nie veröffentlichten Bericht der Untersuchungskommission selbstverständlich kraft seines Amtes einsehen dürfen, vor allem, da ja seine Tochter zu den unmittelbar Betroffenen gehörte. Seither war der Diplomat offensichtlich schon eher geneigt, die Existenz von Wesenheiten jenseits des menschlichen Erkenntnisvermögens für möglich zu halten. Denn immerhin war er es gewesen, der seine ehemalige
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