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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ihn mit den Kügelchen aus dem Dämonen-Ei zu infizieren, balancierte er sich aus und sprang dann auf der anderen Seite des Tors zu Boden.
    Unwillkürlich erwartete er, ein enttäuschtes Geheul hinter sich zu vernehmen, aber die menschlichen Roboter, die ihn verfolgten, blieben stumm. Wahrscheinlich war es unsinnig, ihnen jetzt noch menschliche Regungen wie Wut oder Enttäuschung zu unterstellen, dachte Raven. Aber ebenso wenig konnte man auch damit rechnen, dass sie resignieren würden.
    Nein, sie würden die Verfolgung ohne jedes Zögern fortsetzen, wenn sie nur irgendwie die Möglichkeit dazu sahen.
    Unbeirrbar.
    Unbarmherzig.
    Obwohl Raven die Topografie des Häusergevierts, in dem sich The Cube befand, keineswegs genau im Kopf hatte, wusste er doch instinktiv, dass sich der Eingang der Discothek rechts von ihm befinden musste und es daher ratsam war, in die andere Richtung zu fliehen. Auch Hillary Gifford schien zu diesem Schluss gekommen zu sein, denn als er losstürmte, sah er sie kaum zwanzig Meter vor sich um die nächste Hausecke biegen. Sie humpelte ein wenig, und es fiel ihm nicht schwer, sie einzuholen.
    Als die Diplomatentochter seine schweren Schritte hinter sich hörte, blickte sie sich erschrocken um. Dann erkannte sie den Privatdetektiv, und ihr gleichermaßen vor Angst und Erschöpfung verzerrtes Gesicht entspannte sich merklich.
    »Gott sei Dank, dass Sie es sind, Raven!«, keuchte sie, ohne auch nur für einen Augenblick das Tempo zu verringern. »Ich dachte schon, es hätte Sie erwischt!«
    »Nein, es war zwar knapp, aber vorläufig bin ich ihnen durch die Lappen gegangen«, erwiderte Raven atemlos, während er endgültig zu ihr aufschloss. Er erschauerte, als er an die schreckliche Berührung an seinem linken Schuh dachte. Eine Zehntelsekunde länger vielleicht nur, und alles wäre vorbei gewesen ...
    Kein Raven mehr. Nichts mehr, nicht einmal Schwärze. Nur endloses Vergessen.
    Mit einer schier übermenschlichen Anstrengung verbannte der Privatdetektiv die Erinnerung aus seinem Kopf. Wenn sie jetzt nicht schnell und entschlossen handelten, konnte es immer noch soweit kommen. Die Verfolger waren noch längst nicht abgeschüttelt, auch wenn im Moment nichts mehr von ihnen zu hören oder zu sehen war!
    Raven schaute hoch, und sein Blick fiel auf ein Straßenschild, das im Mondlicht silbern schimmerte.
    Der Name darauf kam ihm sehr bekannt vor.
    »Hier entlang«, ächzte er. »Mein Wagen muss da vorne in einer der nächsten Seitenstraßen stehen.« Was er mangels Luft zum Sprechen nicht sagte, war, dass er den Wagen absichtlich so weit vom Eingang abgestellt hatte, damit nicht gleich jedem ins Auge fiel, dass sich der in gewissen Kreisen der Halb- und Unterwelt nicht ganz unbekannte Privatdetektiv Raven derzeit im Cube aufhielt. Ein metallicgrüner Maserati direkt vor einer chicen Disco war schließlich etwas, das selbst der größte Blindgänger unter den Ganoven der britischen Hauptstadt nur mit Mühe übersehen konnte.
    Japsend und nach Atem ringend erreichten sie eine halbe Minute später Ravens fahrbaren Untersatz. Nachdem sie sich in die bequemen Schalensitze hatten fallen lassen, gönnte sich Raven nur wenige Sekunden zum Luftholen, dann rammte er den Zündschlüssel ins Schloss und ließ die geschmeidige Maschine unter der Motorhaube zu schnurrendem Leben erwachen. Mit einem raubtierhaften Satz sprang der Maserati die Straße entlang und verschwand im Gewirr der Straßen und Gässchen Londons - einem Dschungel ganz eigener Prägung, der durch die reißenden Mordbestien, die die Thul Saduum in ihn entlassen hatten, noch gefährlicher geworden war als zuvor.
    »So«, sagte Hillary Gifford zwischen zwei keuchenden Atemzügen, »die wären wir wohl fürs Erste los. Und wo fahren wir jetzt hin? Zu sich nach Hause zurück können Sie ja wohl nicht mehr, oder sehe ich das falsch?«
    Raven, dem langsam die ganze Unhaltbarkeit seiner Situation bewusst wurde, schüttelte verbissen den Kopf.
    »Nein, das sehen Sie durchaus nicht falsch, Hillary«, sagte er müde. »Ich bin mir sicher, dass diese Dämonenroboter da schon auf mich warten. Vermutlich ...«
    Er stockte mitten im Satz.
    Etwas Entsetzliches fiel ihm ein. Sie hatten ihn nicht erwischt, sicher, aber was war mit Janice? Stand sie vielleicht gerade in diesem Augenblick einem der Geschöpfe der Thul Saduum gegenüber? Streckte es jetzt gerade die Hand nach ihr aus, um sie mit den anthrazitschwarzen Kügelchen aus dem Dämonen-Ei zu infizieren?

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