Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
Oder war sie vielleicht schon ...?
Der Gedanke, dass sich Janice - seine geliebte Janice - in einen menschlichen Roboter verwandelt haben könnte, war Raven unerträglich. Aber noch viel unerträglicher war die Tatsache, dass er nicht einfach hinfahren und Janice vor dieser Bedrohung retten konnte. Das wäre Selbstmord gewesen, und er wusste es. Untätig bleiben konnte er allerdings auch nicht. Was aber sollte er tun?
Er biss die Zähne zusammen und stöhnte in hilfloser Verzweiflung. Dann fiel sein Blick durch das Seitenfenster, und mit einer Vollbremsung brachte er den Maserati zum Stehen. Hillary Gifford stieß ein verblüfftes »Was ...?« hervor, aber da hatte Raven die Tür schon aufgerissen und war aus dem Wagen gesprungen.
Im Laufschritt eilte er zurück zu der Telefonzelle, die er eben erspäht hatte. Er achtete kaum darauf, dass hinter ihm eine zweite Wagentür zufiel und das Geräusch rascher Schritte aufklang. Hillary Giffords Anwesenheit bemerkte er erst, als sie sich neben ihn in die Telefonzelle quetschte.
Von panischer Angst getrieben, rief er Janice unter seiner eigenen Nummer an. Aber obwohl er das Telefon bestimmt zwei Dutzend Mal klingeln ließ, meldete sich niemand. Ähnlich erging es ihm, als er es mit der Nummer des Nachtportiers versuchte.
Schweiß trat ihm auf die Stirn. Es bestand die vage Möglichkeit, dass Janice noch mit der Klientin unterwegs war, von der sie ihm bei ihrem letzten Telefongespräch erzählt hatte. Aber das verringerte die Gefahr für sie keineswegs. Schließlich hatten die kleinen schwarzen Kügelchen auch ihn, Raven, nicht zu Hause angegriffen, sondern an einem ganz anderen Ort.
Was, um alles in der Welt, konnte er jetzt noch tun, um Janice vor den Thul Saduum zu schützen?
Und dann kam ihm die rettende Idee. Unter dem verständnislosen Blick von Hillary Gifford begann er mit sicherer Hand eine Ziffernfolge zu wählen, die er seit vielen Monaten auswendig kannte.
Er konnte nicht ahnen, dass - Duplizität der Ereignisse - wenige Minuten zuvor und etliche tausend Kilometer entfernt ein anderer Mann und eine andere Frau sich ebenfalls gemeinsam in eine Telefonzelle gedrängt und genau dieselbe Londoner Nummer gewählt hatten.
Die Privatnummer von Inspektor Card von Scotland Yard.
»Raven, sind Sie es?«
»Was ...? Wieso ...?«, stammelte der Privatdetektiv völlig verblüfft. Er hatte mit allem gerechnet, einschließlich eines Anraunzers wegen der unchristlichen Uhrzeit seines Anrufs, aber mit so etwas nicht.
»Oh, nur so eine Ahnung«, unterbrach ihn Card, bevor Raven auch nur einen halbwegs vollständigen Satz hervorgestoßen hatte. »Aber lassen Sie mich auch einmal raten, wieso Sie mich anrufen, Raven. Sie werden von Zombies verfolgt, und die wiederum werden von kleinen schwarzen Kügelchen gesteuert, stimmt's?«
Das verschlug Raven endgültig die Sprache. Hatte sich Card etwa plötzlich zum Hellseher gemausert? Oder verfügte er vielleicht bloß über eine Informationsquelle, von der Raven nichts ahnte?
»Jeff Target hat mich vor ein paar Augenblicken direkt aus Amerika angerufen«, bestätigte der Inspektor Ravens Verdacht. Obwohl er sich normalerweise die Chance, Raven noch ein bisschen weiter auf die Folter zu spannen, nicht hätte entgehen lassen, kam er diesmal sofort zur Sache, ein Zeichen dafür, wie ernst die Lage in seinen Augen war. »Target und seine Begleiterin werden ebenfalls von den schwarzen Kugeln gejagt. Da er Sie nicht erreichen konnte, wandte er sich vernünftigerweise an mich. Die beiden treffen morgen - oder besser gesagt: heute früh - gegen neun mit dem Flugzeug in Heathrow ein. Aber jetzt berichten Sie erst einmal, was genau Ihnen widerfahren ist, okay?«
Und das tat Raven. Card unterbrach ihn nicht ein einziges Mal, es sei denn durch einen gelegentlichen überraschten oder ungläubigen Grunzer. Trotz des Ernstes der Situation konnte Raven ein kleines Lächeln nicht unterdrücken. Er sah seinen merkwürdigen Freund während des Gesprächs in Gedanken vor sich, wie er kugelrund und giftzwergig in einem rot-weiß gestreiften Pyjama auf dem Bett seiner Junggesellenwohnung saß, sich Notizen machte und zugleich in seinem Kopf schon Strategien für den bevorstehenden Kampf gegen ihre unheimlichen Gegner zurechtlegte.
»Was mir aber am meisten Sorgen bereitet«, schloss der Privatdetektiv seinen Bericht, »ist Janice. Wenn die Thul-Saduum-Marionetten unser Apartment überwachen, und sie läuft ihnen bei ihrer Rückkehr genau in die
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