Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
stand es jetzt acht zu acht, und er war sehr gespannt darauf, wie sich der Punktestand in Zukunft weiter entwickeln würde - falls es für ihn und Eddie überhaupt noch eine Zukunft gab.
Sie stiegen die Gangway hinunter und trotteten durch den eisigen Nebel hinüber zum wartenden Bus, der sie zum Abfertigungsgebäude bringen sollte. Vom Frühling war in der britischen Hauptstadt wirklich noch nicht viel zu bemerken, und Jeff schlug den Kragen seines Hemdes hoch und zog den Kopf so gut wie möglich ein, um wenigstens ein bisschen Schutz vor der lausigen Kälte zu haben. Natürlich half es nichts, aber man konnte sich immerhin sagen, dass man sein Bestes versucht hatte. Und das war ja auch schon etwas.
»Target?«
Jeff hob den Blick. Aus den treibenden Nebelschwaden kamen drei Männer auf sie zu, dunkle Silhouetten gegen das verwaschene Licht der Busscheinwerfer. Der Mittlere von ihnen war klein und überaus korpulent, und die beiden anderen überragten ihn um mindestens Haupteslänge.
»Card!«, sagte der Reporter überrascht und hielt mitten im Schritt inne. Er hatte nicht damit gerechnet, dass der Inspektor sie schon auf dem Landefeld erwarten würde. »Sind Sie's wirklich?«
Card nickte lächelnd. Er war jetzt dicht genug heran, dass man sein rundes, von Speckwülsten verunziertes Gesicht deutlich erkennen konnte. In seinen Augen blitzte so etwas wie Freude darüber auf, Jeff Target zu sehen. »Natürlich«, erwiderte er mit bellender Stimme. »Was hatten Sie denn gedacht?« Er machte noch einen weiteren Schritt auf Jeff und Eddie zu. »Meine Assistenten kennen Sie ja schon aus Karghill - Lieutenant Manderson und Lieutenant Brandon. Und diese junge Dame ist also Fräulein Eddie Hagen, wenn mich nicht alles täuscht?«
Bei diesen Worten hatte er die Hand gehoben, wie um sie Jeff Target freundschaftlich auf die Schulter zu legen.
Aber dazu sollte es nicht kommen.
Mit vor Entsetzen geweiteten Augen sah Jeff, wie Lieutenant Manderson plötzlich nach rechts wegtaumelte. Aus unerfindlichen Gründen schien er die Kontrolle über seine Beine verloren zu haben, denn sie trugen ihn wie von selbst in die Menge der an Jeff und Eddie vorbei zum Bus strömenden Fluggäste hinein. Eine ältliche Dame wich mit einem spitzen Aufschrei zurück, als Manderson mit rudernden Armen auf sie zuschoss. Dabei entrang sich ein klagendes Geheul seiner Kehle, das kaum mehr etwas Menschenähnliches an sich hatte.
Der ganze gespenstische Vorgang dauerte nur zwei oder drei Sekunden. Dann blieb Manderson mit einem Ruck stehen, drehte sich um und machte Anstalten, wieder auf seinen alten Platz zurückzugehen, beinahe so, als sei gar nichts geschehen. Nur seine Stimmbänder schienen immer noch nicht wieder recht unter Kontrolle zu sein, denn sie produzierten jetzt kleine, klagende Laute, die Jeff Target eisige Schauer den Rücken hinunterjagten.
Und dann begriff er, was das alles bedeutete.
Er blickte auf.
Das Blitzen in Cards Augen nahm plötzlich eine völlig andere Bedeutung an. Es kündete von sinistrer Vorfreude, von dämonischem Vergnügen, einen menschlichen Widersacher so gründlich getäuscht zu haben.
Die Hand des Inspektors, die in den letzten Sekunden reglos in der Luft gehangen hatte, kam herunter. In ihrer Innenfläche erkannte Jeff einen großen schwarzen Fleck, der sehr gut auch ein Loch sein mochte. Dann tauchte er unter Cards Hand weg und hechtete zur Seite, Eddie mit sich reißend.
Augenblicke später war die Meute über ihnen.
Etwas streifte Jeffs Oberarm, aber die Berührung war zu kurz, als dass sie für eine Übertragung der kleinen schwarzen Kügelchen ausgereicht hätte, die die drei Beamten von Scotland Yard von innen zerfressen hatten. Der Reporter duckte sich neuerlich ab, ging in die Knie und rollte sich dann aus der unmittelbaren Gefahrenzone.
Aus den Augenwinkeln sah er, dass Eddie nicht ganz so schnell reagiert hatte. Lieutenant Brandon warf sich auf sie und umklammerte sie mit beiden Armen in einem jener Zangengriffe, die man auf der Polizeischule lernt. Obwohl er es in dem allgemeinen Durcheinander nicht genau zu erkennen vermochte, meinte Jeff doch wahrzunehmen, wie Eddie das Knie hochriss. Brandon schien das allerdings nicht viel auszumachen, denn er lockerte seinen Griff nicht einmal für den Bruchteil einer Sekunde. Thul-Saduum-Marionetten kannten offenbar keinen Schmerz.
Dann erlahmte Eddies Widerstand. Ein letztes Strampeln mit den Beinen, und sie hing schlaff in Brandons Armen.
Eddie Hagen,
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