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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dem Übersinnlichen bisher gestoßen war.
    Wie Recht er damit hatte, sollte sich gleich darauf zeigen!
    Offenbar fest entschlossen, mit seinem Widersacher endgültig ein Ende zu machen, warf sich Boraas zu einem letzten Angriff nach vorne. Seine Klinge zuckte in einer Finte hoch, aber Yrdef reagierte völlig anders, als Boraas erwartet hatte. Statt der Finte auszuweichen und dabei unwissentlich in den wirklichen Stoß hineinzulaufen, schnellte sich der Thul Saduum mit seinem noch brauchbaren Bein vom Boden ab und sprang direkt in die Klinge hinein, sodass sie ihm bis zum Heft in den aufgedunsenen Bauch drang.
    Zugleich aber schlossen sich die scharfen Kanten seines Papageienschnabels von oben her um Boraas' Genick. Es war eine wahrhaft selbstmörderische Aktion.
    Mit einem Ruck prallten die Kontrahenten zusammen und blieben, in eine tödliche Umklammerung verschlungen, reglos voreinander stehen. Die völlige Lautlosigkeit, in der dies geschah, ließ Raven einen eiskalten Schauer den Rücken hinunterlaufen.
    Der letzte Akt des Dramas hatte begonnen. Mit einem Mal begriff Raven, dass beide Kämpfer zum Tode verurteilt waren.
    Doch da begann Boraas noch einmal zu sprechen. Seine Worte erstickten fast durch das Blut in seiner Kehle, aber irgendwie verstand Raven sie trotzdem.
    »Sie hatten Recht«, keuchte der Schattenreiter. »Es war der beste Kampf, den ich jemals gekämpft habe. Und mit ... mit Yrdef habe ich auch die anderen sechs Thul Sadumm vernichtet. Schade nur, dass es zugleich mein letzter Kampf war.« Er hustete erstickt und spuckte Blut. »Jetzt muss ich Ihnen gar nicht mehr das Versprechen abnehmen, mich niemals wieder heraufzubeschwören.«
    Mit diesen Worten starb er - im gleichen Augenblick wie Yrdef und irgendwo in ihrer Schattenwerkstatt auch die verbliebenen sechs Thul Saduum.
    Rings um Raven begann sich die graue Ebene aufzulösen. Vor seinen Füßen öffnete sich der Boden, und der Privatdetektiv stürzte in jenen scheinbar unendlichen Abgrund, den er schon von früher her kannte. Ein ungeheures Schwindelgefühl überfiel ihn, und instinktiv presste er die Augenlider ganz fest zusammen ...
    Als er die Augen schließlich wieder öffnete, war an die Stelle des Grauen Landes die vertraute Umgebung des kleinen Salons im Hause Sir Anthony Giffords getreten. Eine zierliche, blond gelockte Gestalt sprang mit einem wilden Freudenschrei auf ihn zu und warf sich in seine Arme.
    »Raven!«, keuchte Janice Land. »Was ist geschehen? Wo bist du gewesen? Und warum sind wir plötzlich wieder wir selbst?« In einem jähen Anflug von Grauen hob sie die Hände vors Gesicht, aber die Wundmale waren tatsächlich spurlos verschwunden. Tränen der Erleichterung stiegen ihr in die Augen.
    Der Privatdetektiv ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Die anderen Anwesenden - Card, Sir Anthony, Jeff Target, Hillary, Hives und die drei anderen, die er noch nicht dem Namen nach kannte - starrten ihm verwirrt und fragend entgegen.
    Jeff hatte seinen Arm um die blonde Walküre gelegt, die er aus Amerika mitgebracht hatte, und auch das unbekannte Pärchen lag sich glücklich in den Armen. Hillary schmiegte sich schutzsuchend an ihren Vater. Nach all den schrecklichen Geschehnissen der letzten Tage war dies eine so versöhnliche Ausklangszene, dass sie beinahe irreal wirkte.
    Raven blickte seine Freunde nur stumpf an und schüttelte den Kopf. Er war viel zu ausgelaugt, um jetzt lange Erklärungen abzugeben. »Später«, stieß er erschöpft hervor, während er sich von Janice zu einem Sessel führen ließ. Als er darin niedersank, schlug er die Hände vors Gesicht.
    Er fühlte sich miserabel.
    Er dachte an Boraas, der sich für sie geopfert hatte - auf seinen - Ravens - Befehl hin.
    Doch dann spürte er Janice' Hand auf seiner Schulter, und er empfand doch Erleichterung und sogar Freude darüber, dass jetzt alles vorbei war und die Thul Saduum endgültig besiegt waren ...

Sechster Teil
    DIE
SCHATTEN-CHRONIK

 
    E S wartete seit langer, langer Zeit; Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende, aber was bedeutete diese Zeitspanne schon in seinem nach Äonen zählenden Leben? Man hatte ES eingesperrt, aber irgendwann würde ES wieder frei sein, daran gab es keinen Zweifel.
    ES hatte schon unzählige Generationen seiner Bewacher überlebt. Die Priester, die ES vor Jahrtausenden hierher verbannt hatten, waren längst zu Staub zerfallen, und selbst die Erinnerung an den Kult, dem sie angehört hatten, war vom unbarmherzigen Fluss der

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