Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
Kompliment, dann nahmen auch sie und Raven am Tisch Platz.
Während des Essens kam er Cards Bitte nach, der sich auch Sir Anthony anschloss, und berichtete, wie es ihm und Janice in den vergangenen Jahren ergangen war. Für eine Weile vergaß Raven fast selbst, aus welchem todernsten Grund er eigentlich hier war, doch schließlich konnte er diesem Thema nicht mehr ausweichen.
»Ich bin nicht begeistert, dass sie ihn ebenfalls in Gefahr gebracht haben. Weiß er ...?«, wandte er sich mit einem bedeutungsvollen Blick in Cards Richtung leise an Sir Anthony.
»Ich bin zwar alt geworden, aber weder vertrottelt noch taub«, antwortete Card selbst an seiner Stelle. »Selbstredend hat Sir Anthony mich schon am Telefon eingeweiht, sonst hätte ich die Strapazen der Reise hierher vermutlich gar nicht erst auf mich genommen.«
»Ich wollte Sie nicht kränken«, beteuerte Raven rasch. »Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, aber Sie sind nun einmal nicht mehr der Jüngste.«
»Und Sie meinen, in meinem Alter sollte ich lieber harmloseren Beschäftigungen wie dem Lösen von Kreuzworträtseln oder dergleichen nachgehen, wie?«, unterbrach ihn Card. Seine Augen funkelten. »Glauben Sie mir, auch wenn ich nicht mehr so rüstig wie früher bin, gehöre ich noch längst nicht zum alten Eisen!«
»Das wollte ich damit auch nicht sagen.«
»Sagen vielleicht nicht, aber gemeint haben Sie es.« Card lächelte, wurde aber sofort wieder ernst. »Hören Sie, ich kann Ihre Bedenken verstehen. Aber ich verspreche Ihnen, dass ich Ihnen nicht zur Last fallen werde. Als Sir Anthony mich anrief, da habe ich fast so etwas wie einen Stromstoß verspürt. Ich wusste instinktiv, dass ich zusagen sollte, dass ich hier gebraucht würde. Nun sehen Sie mich nicht so entgeistert an! Ich rede kein wirres Zeug. Ich wusste einfach, dass ich hier eine wichtige Aufgabe zu erfüllen habe.«
Raven wollte etwas sagen, klappte den Mund dann aber wortlos wieder zu. Was Card beschrieb, war genau das, was er selbst auch unterschwellig gefühlt hatte.
»Und da ist noch etwas«, fuhr der ehemalige Inspektor an Sir Anthony gewandt fort. »Können Sie mir sagen, warum Sie mich wirklich eingeladen haben? Wie sind Sie darauf gekommen, einen Mann wie mich, mit dem Sie vor vielen Jahren ein paar Mal ganz flüchtigen Kontakt hatten und seither gar nicht mehr, anzurufen und an diesem Wochenende auf Ihren neuen Landsitz einzuladen?«
»Ich - ich habe es einfach für eine gute Idee gehalten«, erklärte Sir Anthony. Sein Gesicht drückte Verwirrung aus. Er kratzte sich am Kopf. »Schließlich haben Sie früher oft mit Mr. Raven ... Es war ein plötzlicher Einfall, ich habe gar nicht weiter darüber nachgedacht.«
Raven begriff als Erster, worauf Card hinaus wollte. »Sie meinen, wir sind in irgendeiner Form manipuliert worden?«, fragte er. »Man hat uns alle aus irgendeinem Grund hierher gelockt?«
»Genau das«, antwortete der ehemalige Inspektor. Seine Stimme klang fast vergnügt. »Es ist die einzige Erklärung, die wenigstens einen gewissen Sinn ergibt. Sie haben mir selbst erzählt, Sir Anthony, dass sie wegen der aktuellen Ereignisse in Asien erst gar nicht fahren wollten, es Ihnen nach dem Zuspruch von Mr. Raven plötzlich doch wie eine sehr gute Idee vorkam. Mehr noch, Sie laden ihn und Miss Land sogar ein. Und dann rufen Sie aus heiterem Himmel auch noch mich an und bitten mich dazu. Und was Sie betrifft, Mr. Raven, so konnte ich Ihrer Reaktion auf meine Worte entnehmen, dass es Ihnen ganz ähnlich wie mir erging. Vergessen Sie nicht, dass ich früher Kriminalbeamter war und gelernt habe, sorgfältig zu beobachten. Lassen Sie mich raten: Sie fragen sich im Grunde auch, warum Sie gerade in dieser Situation hierher gekommen sind, aber Sie hatten genau wie ich ein entsprechendes Gefühl, gegen das Sie nicht ankamen.«
Er griff nach seinem Wasserglas und trank einen Schluck. Sein Mund war vom langen Reden trocken geworden.
»Ich fürchte, er hat Recht«, sagte Raven nach einigen Sekunden des Schweigens. »Genau dieses Gefühl hatte ich. Aber wenn wir wirklich in eine entsprechende Richtung manipuliert worden sind, dann fragt sich, von wem und aus welchem Grund.«
»Das liegt doch auf der Hand«, ergriff Janice das Wort. Sie war deutlich blasser geworden. »Irgendein Dämon will sich an uns rächen. Immerhin haben wir alle zumindest früher jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten gegen die Mächte des Bösen gekämpft und dabei einige Erfolge erzielt. Ich
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