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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einer Blockhütte in den Bergen bei San Bernadino und in Hotelzimmern aus dem Koffer, so wie jetzt. Letzteres war der Preis, den man für den Erfolg halt zahlen muss.
    Zur großen ehrenwerten Pseudonym-Familie der »Smiths« gehörte Roscoe natürlich nicht von Bluts wegen, sondern aufgrund seiner Profession. Sein wirklicher Name trägt hier nichts zur Sache.
    Harald Münzschläger und Roscoe Smith waren in die französische Hauptstadt gekommen, um den Pariser Kristallschädel aus dem Centre Georges Pompidou zu stehlen. Ebenso, wie sie schon den Londoner Kristallschädel aus dem Britischen Museum und den New Yorker Kristallschädel aus dem Museum of American Indians gestohlen hatten. Ihr abendlicher Besuch in der Ausstellung in Beaubourg hatte nur dem Zweck gedient, die Örtlichkeiten auszukundschaften.
    Harald Münzschläger hatte gerade einen ersten Eindruck von der Art und Konstruktion der im Centre verwendeten Alarmanlage bekommen, als der kleine Franzose, der vor dem Schädel saß und ihn wie blöde anstarrte, durchgedreht war und seinen Amoklauf begonnen hatte.
    »Der Schädel hat's gemacht«, erklärte Roscoe Smith plötzlich und richtete sich mit einem Ruck in seinem Sessel auf. Er trank Malzwhisky. »Der Schädel hat's gemacht, da bin ich mir ganz sicher. - He, hörst du überhaupt zu, was ich sage?«
    »Klar höre ich dir zu«, ertönte es dumpf aus dem Badezimmer, wo sich sein deutscher Partner gerade kaltes Wasser ins Gesicht schlug. Sie führten die Unterhaltung wie stets auf Deutsch, der einzigen Sprache, in der sie sich miteinander verständigen konnten. »Aber wie kommst du auf diesen Gedanken?«
    Smith legte ein paar Schritte in Richtung Badezimmertür zurück. Er sprach nicht gerne laut. »Erinnere dich doch mal an die Erfahrungen, die wir mit den beiden anderen Schädeln gemacht haben. Die Träume, die wir hatten, wenn wir mit einem der Dinger im selben Raum schliefen. Und als ich den New Yorker Schädel mal länger angeschaut hab, so von vorne, hab ich Bilder gesehen, wie in einer Kristallkugel - Landschaften, Menschen. Und der Chef hat selbst gesagt, die Schädel seien etwas Psionisches. Falls du dir darunter überhaupt was vorstellen kannst.«
    Prustend und schnaufend tauchte Harald Münzschlägers Kopf aus dem Waschbecken auf. »Natürlich kann ich mir was darunter vorstellen«, knurrte er gereizt. Seine Schulterwunde machte ihm mehr zu schaffen, als er vor Roscoe zu erkennen gab. »Aber warum hat wohl der Franzmann nicht auch nur bunte Bildchen gesehen, sondern ist gleich ausgetickt? Weil er ein Psycho war, deshalb. Und wir sind nach wie vor im Kopf ganz gut zu Fuß. Also wird uns auch diesmal nichts passieren - weil's uns sonst nämlich vorher schon passiert wär. Logo?«
    Roscoe Smith schüttelte entschieden den Kopf. »Da bin ich mir gar nicht mal so sicher«, antwortete er. »Nimm mal an, der Schädel hier im Centre ist auf irgendeine Art ... aktiver als die beiden anderen? Und uns passiert noch dasselbe wie dem Franzmann?«
    Harald Münzschläger nickte langsam. Er ging hinüber zum Bett, wo er seinen Mantel abgelegt hatte, fingerte eine angebrochene, zerknautschte Schachtel mit filterlosen Zigaretten aus der linken Tasche und steckte sich einen der nicht weniger zerknautschten Glimmstängel zwischen die unregelmäßigen, gelblichen Zähne.
    Roscoe, der ihm gefolgt war, gab ihm mit einem goldenen Feuerzeug Feuer, das die Initialen W. E. H. trug und trotzdem ihm gehörte. Manchmal hieß er auch ganz anders als bloß »Roscoe Smith«.
    »Danke.« Münzschläger nahm einen tiefen Zug, blies den Rauch durch die Nase wieder aus und blickte Roscoe durch die Schwaden hindurch lange an. In seinem Gesicht arbeitete es. Er dachte nach.
    »Fragen wir doch einfach den Chef«, schlug er schließlich vor. Er berührte leicht den Verband an seiner linken Schulter.
    Roscoe Smith sah auf die Armbanduhr. »Um ein Uhr morgens?«
    »Klar, um ein Uhr morgens.«
    »Hm. Und die Telefonvermittlung?«
    »Das können wir riskieren. Wir wohnen schließlich im besten Haus am Platz, nicht wahr? Die hören ganz bestimmt nicht mit, da wett ich drauf. Sonst käm doch keiner von den Großkopfeten mehr rein in diesen Laden.«
    Roscoe Smith grinste breit. Da war in der Tat was dran. Und außerdem: Wer vom Hotelpersonal sprach denn schon Schwedisch? Entschlossen wandte er sich um, trat ans Telefon und wählte die Nummer der Telefonzentrale des Hotels, über die alle Ferngespräche laufen mussten.
    »Ah, Mademoiselle«,

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