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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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immer noch auf dem Mädchen hinter der Rezeption.
    Melissa McMurray antwortete nicht. Als sich das Schweigen hinzog, drehte Raven sich allmählich um und schaute sie an. Sie wirkte müde und sehr zerbrechlich in ihrem schmalen Lodenmantel. Ihre graugrünen Augen waren so intensiv, dass sie Raven fast ein bisschen Angst machten.
    Schließlich öffneten sich ihre Lippen. »Ich wohne gar nicht hier im Hotel, Raven«, sagte sie mit einer Stimme, die ihn an das Rascheln von Katzenpfoten in trockenem Laub erinnerte. »Aber nach dem, was passiert ist, will ich heute Nacht nicht allein sein.«
    Er nickte langsam, sagte aber nichts.
    Nebeneinander gingen sie zum Lift. Sie berührten sich immer noch nicht. Das Mädchen an der Rezeption sah ihnen verwundert nach, bis sie vom Erscheinen ihrer Ablösung abgelenkt wurde. Zerstreut ordnete sie ein paar Unterlagen, gab der Ablösung die nötigen Anweisungen und verließ dann die Halle, immer noch mit einem verwunderten Ausdruck auf dem Gesicht.
    Ungefähr um die gleiche Zeit standen sich Raven und Melissa McMurray in Ravens Zimmer gegenüber. Sie sprachen nicht miteinander, bewegten sich nicht.
    Raven spürte, wie die vage Spannung zurückkehrte, und diesmal wusste er auch, was sie war. Einen winzigen Augenblick lang dachte er flüchtig an Janice, seine Verlobte. Dann streckte er die Hand aus und löste behutsam den ersten Knopf an Melissas Mantel.
    Unter den Zeugen, die die Pariser Polizei in der Angelegenheit des Massakers im Centre Georges Pompidou noch in der Nacht verhörte, befanden sich auch zwei ausländische Touristen, ein Amerikaner und ein Deutscher.
    Ihren eigenen Angaben zufolge hatten sie sich erst am Nachmittag zufällig in ihrem gemeinsamen Hotel kennengelernt, wo sie nebeneinanderliegende Zimmer bewohnten, und spontan beschlossen, gemeinsam die Ausstellung süd- und mittelamerikanischer Kunst in Beaubourg zu besuchen. Ebenso zufällig hatten sie sich, wie sie angaben, in gerade dem Ausstellungsraum aufgehalten, in dem der für die Polizei immer noch namenlose Mörder und Selbstmörder durchdrehte und seinen Amoklauf begann.
    Nachdem es einem anderen der Anwesenden - einem Mann namens Raven, wie der Polizeiinspektor, der das Verhör leitete, beiläufig erwähnte - nicht gelungen war, den Irren aufzuhalten, hatte er sich mit einem Obsidianmesser auf den Deutschen gestürzt und ihn an der Schulter verwundet.
    Die Verletzung war zwar nicht tief, hatte aber erheblich geblutet. Während der Irre weiter in den nächsten Raum gestürzt war, hatte sich der Amerikaner um seinen Freund gekümmert, die Blutung gestillt und die Schulterwunde provisorisch mit einem Taschentuch verbunden. Dann hatten sich die beiden so rasch wie möglich aus der Gefahrenzone entfernt.
    All das wurde sorgfältig zu Protokoll genommen, obwohl es rein gar nichts zur Erhellung der Hintergründe des Amoklaufs beitrug. Nach ihrem Eindruck von dem Irren befragt, den sie ja eine ganze Weile beobachtet haben mussten, meinten die beiden Zeugen nur: Ja, er habe merkwürdig lange eines der Exponate angestarrt, einen skurrilen Kristallschädel, wenn sie sich recht erinnerten. Aber mehr vermochten sie dazu auch nicht zu sagen. Sein Verhalten sei ihnen schon seltsam vorgekommen, gewiss, aber dass er im nächsten Augenblick losstürmen und Menschen mit dem Messer niederstechen würde ... nein, damit hätten sie nie und nimmer gerechnet.
    Shocking sei das, versicherte der Amerikaner. Ja, wirklich ganz entsetzlich, versicherte der Deutsche, der weder Englisch noch Französisch sprach und für den sein neuer Freund als Dolmetscher einspringen musste.
    Die beiden unterzeichneten ihre Aussage mit dem blausilbernen Füllfederhalter des Polizeiinspektors - der Deutsche in einer krakeligen Kleinkinderschrift, der Amerikaner mit einem geschwungenen Haken, der etwas Seismografisches an sich hatte. Erfahrene Schriftexperten hätten diese Unterschriften vielleicht entziffern können, aber diese Mühe würden sie sich nicht machen müssen. Schließlich standen die Namen weiter oben noch einmal auf dem Aussagebogen, und da in schönster Maschinenschrift:
    Harald Münzschläger und Roscoe Smith.
    Nachdem sie ihre Unterschrift geleistet hatten, verabschiedeten sich die beiden Touristen mit Handschlag von dem freundlichen Inspektor, stiegen in ein Taxi, das sie auf Staatskosten zu ihrem Hotel brachte - und platzten vor Lachen heraus.
    Der Taxifahrer drehte sich verwundert zu ihnen um, konzentrierte sich aber rasch wieder auf den

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