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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sagte er, als sich die Zentrale meldete, »könnten Sie wohl bitte eine Verbindung für mich herstellen? Die Nummer ist ...« Aus dem Kopf zitierte er eine fast endlose Zahlenreihe. »Bitte? Oui, das ist ein Auslandsgespräch. - Nach Schweden. La Suéde, verstehen Sie? - Ja, ich weiß, dass das ein bisschen dauern kann. - Ja, gut, ich warte. Merci.«
    Mit einer fließenden Bewegung legte er den Hörer wieder auf den Apparat und lächelte Harald Münzschläger an. Der lächelte zurück. Das Geheimnis ihrer langjährigen Freundschaft war, dass sie es immer schnell verstanden, einen gemeinsamen Konsens herzustellen.
    Sie warteten schweigend. Rauchten ein paar Zigaretten.
    Minuten später klingelte das Telefon. Roscoe ging an den Apparat, griff nach dem Hörer und führte ihn ans Ohr.
    »Ja?« Die Stimme aus Schweden klang weit entfernt, aber keineswegs schläfrig. Ihr Besitzer schien im Gegenteil hellwach zu sein.
    »Ich bin's, Roscoe«, sagte der Amerikaner knapp. »Chef?«
    »Hm-hm.«
    Roscoe zögerte einen Augenblick, dann fuhr er fort: »Wir haben da ein kleines Problem, Chef. Folgendes ist gestern Abend passiert ...« Sein Schwedisch war so flüssig wie sein Deutsch. Er hatte nicht umsonst zwei Jahre für das Syndikat in Stockholm gearbeitet.
    Als er mit seinem Bericht am Ende war, herrschte für wenige Sekunden Schweigen in der Leitung. Dann sagte die ferne, hellwache Stimme: »Deine Vermutung dürfte stimmen, Roscoe. Der Schädel ist aktiver, daran gibt es wohl keinen Zweifel, auch wenn ich den Grund dafür nicht weiß. Aber ich glaube, er wird euch keine Schwierigkeiten bereiten, wenn ihr euch richtig verhaltet.«
    »Und was heißt in diesem Falle richtig?«
    »Ihr müsst dem Schädel telepathisch zu verstehen geben, dass ihr ihn nur mitnehmen wollt, um ihn zu zweien seiner Artgenossen zu bringen. Was schließlich ja auch die Wahrheit ist. Der Schädel wird das merken, denke ich.«
    Roscoe schluckte. Es war schon absurd genug, dass der Chef von dem Kristallschädel wie von einem lebenden Wesen sprach, aber der Rest ...
    »Telepathisch?«, krächzte er. »Das klingt für mich wie Science-Fiction-Kram, ehrlich gesagt. Wir sind doch keine Telepathen, Chef.«
    Ein leises Lachen am anderen Ende der Leitung. »Ihr nicht. Aber der Schädel ist einer. Ihr müsst euch nur vor ihn hinstellen und konzentriert an das denken, was ihr ihm mitteilen wollt. Er wird es schon verstehen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass er euch antworten wird. Vielleicht erklärt er euch sogar, wie ihr ihn am leichtesten stehlen könnt. Richtet euch in diesem Fall nach seinen Anweisungen. Wortwörtlich, ist das klar? Er könnte sonst sehr ungehalten sein.«
    »Aber - aber ...« Roscoe brachte jetzt nur noch ein Stammeln heraus. »Wir ... ich ...«
    Die ferne Stimme gewann an Schärfe. »Und überlegt euch gar nicht erst, ob ihr vielleicht aussteigen wollt. Ihr wisst genau, wie es ist, wenn man das Syndikat gegen sich hat.«
    Roscoe schluckte trocken. »Ja, Chef.«
    »Ich sehe, wir verstehen uns. Sehr schön. Und da ihr so gelehrig seid, verdoppel ich im Falle des Erfolgs das Honorar. Gibt's sonst noch was?«
    »N-nein, Chef.«
    »Dann gute Nacht, ihr beiden. Und morgen frisch ans Werk.« Ein leises Klicken in der Leitung, und die Verbindung war unterbrochen.
    »Was hat er denn gesagt?«, erkundigte sich Harald Münzschläger begierig. Er war während des Gespräches vom Bett aufgestanden und hinter Roscoe getreten.
    Roscoe erzählte es ihm. Danach herrschte Schweigen zwischen ihnen. Roscoe Smith blickte Harald Münzschläger an. Harald Münzschläger blickte Roscoe Smith an. Zum ersten Mal seit Jahren fühlten sie sich nicht mehr wie die ausgekochten Profis, die sie hätten sein sollen, sondern wie blutige Amateure.
    Und das waren sie ja auch.
    Amateure auf dem Gebiet des Okkulten ...
    Irgendwann in dieser Nacht kam Nick Jerome wieder zu sich.
    Zuerst tasteten seine Finger ziellos über den Boden, beinahe so, als suchten sie einen Punkt, an dem sie sich festhalten konnten. Dann rollte sein Kopf sehr, sehr langsam erst nach rechts und dann nach links. Schließlich entrang sich ein Stöhnen seiner Kehle.
    Zeit verstrich. Eine Minute, zwei, seine Augenlider flatterten, öffneten sich. Schlossen sich reflexhaft wieder. Das Licht der Lampe an der Decke war zu grell nach diesen dunklen Stunden.
    Nick Jerome stöhnte erneut. Drehte den Kopf zur Seite und schlug die Augen ein zweites Mal auf. Fand mit zitternden Fingern die Bettkante und stützte

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