Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
Labors - den Einrichtungsgegenständen? Den Werkzeugen? - standen dicht gedrängt zahlreiche Thul Saduum.
Der Meistermagier schluckte seinen Abscheu hinunter und zwang sich, diese Geschöpfe der Hölle näher zu mustern. Auch sie waren schattenhaft und verwaschen, aber manchmal schienen sie für winzige Augenblicke auf unerklärliche Weise in die Daseinsebene der Menschen hineinzuragen, und dann wurden sie wenigstens umrisshaft sichtbar: wahre Riesen, so groß wie eineinhalb Männer, mit einem unförmigen Rumpf, aus dessen oberer Hälfte eine nicht genau bestimmbare Anzahl peitschendünner, sich windender Tentakel spross und auf dem übergangslos, ohne jeden Nackenansatz, der klobige, missgestaltete Kopf saß, der von dem einen roten Auge und dem scharfkantigen Papageienschnabel beherrscht wurde.
Dessen nervenzerfetzendes Klicken war das einzige Geräusch, das an die Ohren des Meistermagiers drang, während er seinen Blick durch den schattenhaften Raum schweifen ließ.
Zuletzt richtete er seine Augen wieder auf den Thul Saduum, der vor ihm gestanden hatte, als er aus der Gefängnissäule getreten war. Merkwürdig - dieser Dämon schien substantieller zu sein als seine höllischen Gefährten. Er war viel deutlicher zu erkennen, wenngleich immer noch nicht mit letzter Klarheit. Das rot glühende Auge - rann daraus wirklich milchiger Schleim? Und waren das dort grünliche Schuppen auf der nebelhaften Haut? Und dort ...
Ein gequältes Aufstöhnen entrang sich der Kehle des Meistermagiers. Mit einer raschen, schlangenhaft fließenden Bewegung hatte der Thul Saduum einen seiner Tentakel gehoben und ließ ihn nun dicht vor den Augen seines Gefangenen hin und her pendeln. An der Spitze des Tentakels glitzerte ein nadelfeiner Stachel mit einem öligen Flüssigkeitströpfchen daran, und seine schleimige Unterseite war dicht an dicht mit Saugnäpfen besetzt.
Den Meistermagier würgte es in der Kehle.
Sein Stöhnen brach erst ab, als der Thul Saduum übergangslos die Tentakelspitze vorschnellen ließ und die schimmernde Nadel in das Gehirn des Magiers versenkte, scheinbar so mühelos und ohne jede Kraftanstrengung, als sei die Knochensubstanz des Stirnbeins nur Rauch für ihn.
Und dann ...
ICH BIN OOHL, DER FÜRST DER THUL SADUUM.
Die Stimme des Dämons war wie ein Orkan in seinem Kopf. Sie brach sich an den Innenwänden seines Schädels und rollte in langen Wellen wieder und wieder durch seinen geschundenen Geist.
Er wimmerte verzweifelt auf und versuchte mit allerletzter Kraft, die unmenschliche Stimme abzublocken, aber bevor er sich auch nur halbwegs auf sie eingestellt hatte, flossen schon wieder neue Worte scheinbar direkt durch die in seine Stirn getriebene Nadel in sein Gehirn.
ANGST, KLEINER MENSCH?
O ja, er hatte Angst - schreckliche Angst. In diesem Augenblick fühlte er sich nicht länger wie ein Meistermagier von Maronar, sondern wie ein Wurm, der ahnt, dass er im nächsten Moment zertreten wird. O ja, er hatte Angst!
UND SEHR ZU RECHT ...
Der gnadenlose Spott, der aus den Worten des Dämonenfürsten sprach, zerbrach den letzten Rest von Widerstand in ihm. Fast willenlos ließ er sich vorwärts zerren. Der Thul Saduum führte ihn an seinem Tentakel wie ein Tier an der Leine. Auf seinen Wangen brannte heiß die Scham dieser Erniedrigung.
SCHAU HER.
Nur noch von der Nadel in seiner Stirn aufrecht gehalten, seiner Macht, seines Stolzes und seines Willens beraubt, fand sich der Meistermagier vor einem Tisch aus schattenhaften Nebeln wieder. Auf diesem Objekt aus der Dämonenwelt ruhte entgegen allen Gesetzen der Natur etwas, das ganz der Ebene der Menschen zu entstammen schien und doch von einer fast greifbaren Aura des Dämonischen umgeben war.
Der Meistermagier blinzelte. Das Ding war seltsam durchscheinend, aber nicht auf jene schattenhafte Weise wie die Thul Saduum und ihre übrigen Werke, sondern wie Glas oder Kristall von ungeheurer Reinheit. Da er nicht wusste, womit er zu rechnen hatte, hatte er Mühe, es zu erkennen.
Dann endlich begriff er, worum es sich handelte. Sein Atem stockte.
Ein Totenschädel aus Kristall - aus einem einzigen Stein geschnitten und bis ins feinste Detail mit übermenschlicher Präzision ausgeführt.
EIN TOTENSCHÄDEL AUS KRISTALL, SEHR RICHTIG. UND WEISST DU, WOZU ER DIENEN WIRD?
Eine entsetzliche Ahnung stieg in ihm auf. Sein ganzer Körper krampfte sich zusammen, und sein Geist war ein Chaos aus Furcht und Verzweiflung. Nur das nicht? Nur das nicht! Ihr in der
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