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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Godsby unter dem Einfluss der Kristallschädel teilgehabt hatten.
    Aber trotzdem war das, was da abgebildet war, völlig absurd. So etwas konnte es einfach nicht geben.
    Harald Münzschläger blinzelte die Tränen weg und wollte noch einmal genauer hinschauen, während ihn seine Füße mechanisch weitertrugen, immer tiefer in den Raum hinein.
    Aber dieser zweite Blick sollte ihm nicht vergönnt sein.
    Mit einem ohrenbetäubenden Klirren und Bersten zersplitterte das Bild auf einmal in einige Tausend Stücke.
    Zuerst war es nur ein Summen, eine tiefe Bassvibration, die sich durch Ole Jensens ganzen Körper ausbreitete, dass seine Zähne leise aufeinander schlugen und sich hinter seiner Stirn ein dumpfer, das klare Denken fast unmöglich machender Druck sammelte.
    Dann fing der Boden an, ganz sacht zu beben, so zögernd, als sei die Erde nicht bereit, einzugestehen, dass selbst ihre fest gefügten Strukturen von den Mächten, die mit solcher Plötzlichkeit losbrachen, zerbrochen werden konnten.
    Eine lang gezogene Bebenwelle lief vom Haus aus unter seinen Füßen hinweg, den Abhang hinunter und bis zum Strand. Es sah aus, als krieche ein Riese unter dem Rasen entlang. Als die Welle den Anlegesteg erreichte, übertrug sie sich vom Land auf das Meer und ließ die MARONAR hochwippen wie ein Spielzeugschiffchen in einer zu groß geratenen Badewanne.
    Der Rumpf der Motorjacht rieb sich mit einem so hässlichen Knirschen am Kai, dass Ole es sogar über die Bassvibration in seinem Körper hören konnte. Sein Herz krampfte sich bei dem Laut zusammen. Schließlich war die MARONAR sein Schiff, auch wenn sie seinem Chef gehörte.
    Er verfolgte, wie die von dem Erdbeben - denn etwas anderes konnte es nicht sein - hervorgerufenen Wellen ganz sacht im flachen Wasser vor dem Ufer der Schäre ausliefen. Und plötzlich begriff er, dass Godsby selbst, die Schäre, auf der er stand, das Zentrum dieses Bebens sein musste. Godsby - oder genauer gesagt: das Haus, dem er gerade den Rücken zugekehrt hatte!
    Er hätte nicht erklären können, wieso er auf diesen Gedanken kam. Er wusste es einfach - mit absoluter, grausamer Klarheit.
    Ein Aufschrei entrang sich Oles vibrierenden Lungen, lang gezogen und gequält. Er wirbelte auf der Stelle herum und starrte mit geweiteten Augen die Front des Hauses an.
    Sie schien zu leben.
    Das, was er zuerst bloß auf dem Rasen und der Meeresoberfläche gesehen hatte, beobachtete er jetzt auch hier. Wie Dünung durchliefen sanfte Erschütterungswellen die hölzernen Wände. Die ganze Hausfront schien sich zu schütteln und in unzählige verschwommene Bahnen zu legen, die sich gegeneinander verschoben und verdrehten. Jeden Augenblick rechnete Ole damit, dass die Wand in ihre Einzelteile zerspringen und in einem Regen aus Balken und Brettern und Fensterrahmen auf ihn herabprasseln musste.
    Doch das geschah nicht. Die Vibration versiegte, und die albtraumhaft zerfließende Wand nahm wieder feste Konturen an. Und zwischen den Brettern, aus denen sie von den Zimmerleuten zusammengefügt worden war, klaffte nicht der geringste Spalt.
    Ole hörte sich immer noch schreien, ein seltsam überflüssiger Laut in der Abendstille unter dem Mond. Er zwang sich, aufzuhören. Nur noch ein dumpfes Stöhnen entrang sich seiner Kehle.
    Endlich konnte er auch wieder klare Gedanken fassen.
    Und dabei wurde ihm das ganze Ausmaß der Katastrophe bewusst.
    Wer immer sich zu dem Zeitpunkt, da das Furchtbare geschehen war, im Haus befunden hatte, musste tot oder zumindest schwer verletzt sein. Selbst hier, draußen vor der Hausfront, hatten die Vibrationen ihn fast getötet. Die, die drinnen, dichter am Zentrum des Bebens und zwischen den die Vibration verstärkenden Wänden, gewesen waren, mussten die Stöße in tödlicher Weise verstärkt abbekommen haben.
    Oder hatte doch jemand überlebt?
    Es gab nur einen Weg, um das herauszufinden.
    Er musste ins Haus.
    Er dachte dabei keinen Augenblick daran, dass sich die unheimliche Erscheinung wiederholen könnte, während er sich in der Nähe des Hauses oder gar in seinem Inneren befand. Sein Chef war jetzt da drinnen, außerdem Rolf und viele andere, die er kannte. Schären-Ole war nicht zufällig sieben Jahre in dieser Anstellung geblieben. Im Gegensatz zu manchen jungen Schnöseln hielt er noch viel von Treue und Pflichtbewusstsein. So stand es für ihn außer Frage, dass er einen Versuch unternehmen musste, den Chef und all die anderen zu retten. Er konnte gar nicht anders handeln,

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