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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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tröpfchenweise bis zu Raven durchsickerte, lag also weniger an ihm als vielmehr an Ravens Verfassung.
    Aufstehen ... Einmal nur wieder aufstehen, das war seit beinahe vierundzwanzig Stunden sein größter Wunsch gewesen. Jetzt, da Savignac es ihm befahl, wollte er auf einmal nicht mehr. Und das war nicht bloß reiner Trotz.
    Er wusste nämlich ganz genau, was Savignac vorhatte. Er wusste auch, wie er darauf reagieren würde.
    Eine Anzeige wegen tätlichen Angriffs auf einen Polizisten aber war das Letzte, was Raven jetzt gebrauchen konnte.
    Trotzdem ließ sie sich vermutlich nicht vermeiden. Irgendwo gibt es für alles eine Grenze.
    Also blieb Raven ganz stur sitzen.
    Elmo Savignac packte ihn wie einen ungehorsamen Schüler an den Ohren, verdrehte sie und zog ihn daran hoch. Der Schmerz war hundsgemein, aber Raven gab keinen Ton von sich. Er hatte auch genug damit zu tun, überhaupt auf den Füßen zu bleiben. Sie waren so gefühllos wie Bleiklötze.
    »Brav, Junge«, sagte der Leutnant mit einschmeichelnder Stimme. »Und damit du nicht gleich wieder umfällst, machst du die Beine jetzt ein bisschen breit ...Ja, so ist's gut - genau wie ein Seemann.«
    Von alleine hätte sich Raven keinen müden Millimeter von der Stelle gerührt, aber Savignac half mit ein paar derben Tritten gegen seinen Knöchel nach. Er trug sehr spitze Schuhe. Die ganze Zeit über hielt er Raven an den zusammengedrehten Ohren fest.
    Als Raven spürte, wie sich der brutale Griff löste, spannte er sämtliche Muskeln an. Er mochte ziemlich erledigt sein, aber am Ende war er noch lange nicht. Savignac hielt ihn für einen schlappen kleinen Schnüffler. Was er jedoch nicht wusste, war, dass Raven während seiner Armeezeit bei der Marine eine harte Spezialausbildung mitgemacht hatte, die ihn zu einem Spezialisten in der Kunst der waffenlosen Selbstverteidigung hatte werden lassen.
    Und was noch wichtiger war: Raven hatte auch gelernt, jederzeit und unter allen, selbst den widrigsten Umständen seine letzten Kraftreserven zu mobilisieren. Wenn Savignac jetzt bewusst die Dienstvorschriften verletzte und versuchte, ihn zu schlagen oder zu treten, würde er sein blaues Wunder erleben.
    »Schön so stehen bleiben, du süßer kleiner Scheißer«, sagte Savignac, und seine Stimme ließ Raven kalte Schauer den Rücken hinunterlaufen. Der Mann war ein Psychopath, daran konnte es keinen Zweifel geben. »Rühr dich ja nicht vom Fleck!«
    Er stellte sich hinter Raven und wuchtete den Stuhl beiseite, auf dem der Privatdetektiv während des ganzen Verhörs gesessen hatte. Dann hörte Raven, wie der Leutnant einmal scharf die Luft zwischen den Zähnen hindurch einsog.
    Jetzt zögerte Raven nicht mehr. Mit einer blitzschnellen Bewegung wirbelte er herum und ergriff das hochzuckende Bein Savignacs am Fußgelenk. Mit beiden Händen fest zupackend, drehte er dem Leutnant dann den elegant beschuhten Fuß um.
    Savignac wurde von seinem Standbein gerissen und schlug schwer auf den Boden des Verhörraums. Noch während sein Körper in der Luft war, ließ Raven seinen Fuß los und sprang zurück, wobei er die traditionelle Verteidigungsposition einnahm.
    Wahrscheinlich hätte es auch keinen große Unterschied gemacht, wenn er nachgesetzt hätte. Er war so oder so erledigt. Bei Widerstand gegen die Staatsgewalt kannten die französischen Gerichte kein Pardon.
    Torkelnd kam Savignac wieder auf die Beine. Mit hasserfüllt blitzenden Augen tastete er unter dem vormals so ordentlich und jetzt ziemlich zerknautschten Jackett nach seiner Dienstpistole.
    Raven tat gar nichts. Er hatte das Gefühl, sich in einem Albtraum zu bewegen, der jeden Augenblick auf die eine oder andere Weise enden musste. Das, was hier geschah, war einfach zu irreal, um wahr zu sein. Während irgendwo draußen in der Welt die vier Kristallschädel aus Maronar unvorstellbares Unheil anrichten mochten, befand er, Raven, sich hier im Hauptquartier der Pariser Polizei und wurde wie ein Schwerverbrecher verhört. Und nicht nur das: Jetzt bedrohte ihn ein Amok laufender Polizist auch noch mit seiner Dienstwaffe - und wenn der Kerl das ausführte, was Ravens Augen ankündigten, würde er ihn sogar mitleidlos über den Haufen schießen!
    Jetzt hatte Savignac die Waffe ganz heraus. Ihr sorgfältig geputzter Lauf richtete sich auf Ravens Kopf, beinahe wie auf eine Schießscheibe in den Übungskellern der Polizei. Die schwarze Mündung gähnte Raven an. Er musste daran denken, wann er zuletzt in die Mündung einer

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