Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
glauben. Was hast du herausgefunden?«
Janices Stimme kam sehr fern und klein über das Telefon, aber Raven meinte, einen Unterton von Zufriedenheit aus ihr herauszuhören.
»Ich habe mich sehr lange mit dem Assistenten dieser McMurray unterhalten - Jim Hazelwood. Sein Gedächtnis ist fantastisch. Soll ich dir die Liste aller - ich wiederhole: aller - Leute geben, die sich in den letzten zwölf Jahren - solange also, wie Jim am Britischen Museum ist - persönlich, brieflich oder fernmündlich nach dem Londoner Kristallschädel erkundigt haben?«
Irgendeine Instanz in Raven fand es merkwürdig, dass Janice offenbar schon nach nur einem Treffen auf Du und Du mit diesem Hazelwood war, aber das komische Gefühl, das er dabei empfand, ging gleich wieder in dem anderen, ungleich stärkeren Gefühl unter, das sich plötzlich in ihm ausbreitete.
Dem Gefühl, kurz vor einer unglaublich wichtigen Entdeckung zu stehen.
»Nicht die ganze Liste«, sagte er, einer Intuition folgend. »Aber ist vielleicht jemand aus Schweden dabei?«
Das Rascheln von Papier am anderen Ende der Leitung.
»Komisch, dass du ausgerechnet das fragst«, kam Janices ferne Stimme zurück. »Ich habe tatsächlich genau einen Schweden hier stehen. Ein Stockholmer Hobby-Archäologe, der im Sommer vor vier Jahren bei einem Londonaufenthalt im Britischen Museum vorsprach und bei dieser Gelegenheit auch einige Fragen nach dem Schädel stellte. Jim hätte ihn beinahe zu erwähnen vergessen. Sagt dir der Name etwas? Er heißt - Moment mal - ja, hier habe ich ihn: Sören Andersson.«
Fast war das große Ziel erreicht ...
Fast - aber eben noch nicht ganz!
Müde und irritiert hob Sören Andersson den Blick. Seine von der vielstündigen Trance noch wie umnebelten Augen irrten durch die große Bibliothek, beinahe so, als könnten sie hier das erspähen, was den Kontakt mit seinem Vater, dem Herrn jener in der Tiefe, immer wieder störte und blockierte.
Einen Moment lang blieben Sörens Blicke an den vier Männern und der Frau hängen, die starr wie Schaufensterpuppen in einer Ecke des Raumes standen. Nur ein kaum merkliches Heben und Senken der Brust verriet, dass die fünf Menschen - Harald Münzschläger und Roscoe Smith, Rolf, der Hausdiener, Hampus, der Gärtner, und Magdalena, die Köchin - überhaupt noch lebten. Tief in ihren Augen, aber so, dass es kaum an die Oberfläche drang, brannte ein irrsinniges Flackern der Angst. Die fünf wussten oder ahnten zumindest, was ihnen bevorstand.
Fünf Zacken des Pentagramms. Fünf Opfer, die bei der letzten großen Beschwörung dargebracht wurden.
Aber diese Beschwörung konnte erst beginnen, wenn der Kontakt zu seinem Vater endlich hergestellt war. Das, was in früheren Jahren so einfach gewesen war, wollte und wollte nun nicht gelingen. War eines dieser fünf vor Grauen halb wahnsinnigen Opfer der störende Faktor? Hoffte er - oder sie -, seinem Geschick dadurch zu entrinnen?
Sören Andersson lächelte müde. Nein, das konnte nicht sein. Diese wie zu Stein erstarrten Menschlein waren viel zu schwach, als dass sie einen solchen störenden Einfluss hätten ausüben können. Diese Möglichkeit schied von vornherein aus.
Sein Blick wanderte weiter, zum Schreibtisch hinüber, auf dem eine komplizierte Anordnung elektronischer Geräte stand. Diese Geräte hatte er bei seinen ersten Versuchen benutzt, mit den stumpfen, betäubten Geistern in den zwei zuerst gestohlenen Gehilfenschädeln in Kommunikation zu treten. Vergebens. Die beiden Schädel hatten ihm nie im eigentlichen Sinne geantwortet, sondern nur weiter vor sich hingeträumt - bis der Meisterschädel nach Godsby gekommen war und sie auf unverständliche Weise »erweckt« hatte.
Wie viel Zeit war seither vergangen? Acht Stunden? Sechzehn? Vierundzwanzig? Sören Andersson wusste es nicht. Seit Beginn der Anrufung seines Vaters in der Tiefe hatte er jegliches Zeitgefühl verloren.
Er löste seine Aufmerksamkeit von den elektronischen Apparaturen, die auch nicht für den Störeinfluss verantwortlich sein konnten, und schaute durch das Buntglasfenster hinaus, das er und die vier Kristallschädel mit einem magischen Spruch wieder zusammengefügt hatten und das jetzt wieder den Seelenabgrund zeigte, die Opferstätte der Magier von Maronar.
Hinaus? Nein, eigentlich blickte er nicht hinaus. Hinter dem Fenster war nichts. Ob Sonnenlicht, ob Mondschein - wenn sie, die fünf Magier von Maronar, es wollten, drang kein wie auch immer gearteter Einfluss von draußen
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