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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht entkommen konnte, aber er musste es wenigstens versuchen.
    Er kam nicht einmal bis zur Tür. Dort, wo er mit eigener Hand die Außenlinie des Pentagramms auf den Boden gezeichnet hatte, schien sich mit einem Mal eine unsichtbare Wand zu erheben. Er prallte mit einem widerlich fleischigen Klatschen davor und rutschte dann langsam an der astralen Barriere nach unten. Aus seiner zerschlagenen Nase schoss Blut.
    Er war im Inneren des Pentagramms gefangen.
    Und obwohl er sich aus dem magischen Netz zu lösen versucht hatte, erreichte ihn ohne jede Mühe die Stimme des Meisterschädels.
    DU KANNST DICH DEINER PFLICHT NICHT ENTZIEHEN. KOMM WIEDER ZU UNS. WIR BRAUCHEN DICH ALS NUKLEUS.
    Und Sören Andersson, der grenzenlose Macht an der Seite seines Vaters in der Tiefe gesucht und stattdessen einen unvermeidlichen Tod gefunden hatte, erhob sich wie eine Marionette auf seine zitternden Beine und schlurfte gebrochen hinüber auf seinen Platz an der fünften Zacke des Pentagramms.
    Er hatte keine Kraft mehr, um Widerstand zu leisten.
    Das stille, abendlich dunkle Wasser gischtete weiß hinter den Hecks der drei Polizeiboote, die sich kurz nach Sonnenuntergang ihren Weg durch das Labyrinth der Schären nach Godsby suchten. An Deck aller drei Einheiten drängten sich schwer bewaffnete Polizisten zusammen, als könnten sie sich gegenseitig vor der sprühenden Gischt und der vom offenen Meer heraufziehenden Kälte schützen. Gelegentlich ertönten gemurmelte Bemerkungen, ein unterdrücktes, freudloses Lachen oder ein erstickter Fluch. Die Beamten, die bis zu den Ohren in ihren dicken Fellparkas verschwanden, trauten sich aus unerfindlichen Gründen schon jetzt nicht, laut zu sprechen, obwohl Godsby noch ein gutes Stück vor ihnen lag.
    In der überdachten Steuerkabine beugte sich Kommissar Stig Lundgren über die Schulter des Rudergängers und spähte auf die Anzeigen der Geräte. Dann richtete er sich auf und drehte sich zu dem Mann um, der hinter ihm stand, womöglich noch tiefer vermummt als die Beamten draußen an Deck.
    »Noch eine Viertelstunde«, sagte der Chef von Riksmordkommissionen mit einem schwachen Lächeln. »Dann können wir mit unserem Fischzug beginnen.«
    Raven nickte verbissen und versuchte, das Lächeln zu erwidern, was ihm jedoch gründlich misslang. Eine Antwort brachte er auch nicht heraus; dazu schlugen seine Zähne viel zu schnell aufeinander. Bis vor Beginn ihrer Fahrt hatte er nie die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass es an der Ostsee womöglich noch kälter und ungemütlicher sein konnte als am englischen Kanal. Und dabei war die Ostsee nur ein Binnenmeer und nicht einmal den vom Atlantik hereinpeitschenden Stürmen ausgesetzt ...
    Um sich von der Kälte abzulenken, warf er einen Blick nach draußen. Jetzt, da die Sonne endgültig hinter dem Horizont verschwunden war, tasteten die weißlichen Finger der Scheinwerfer als einzige Lichtquelle auf viele Kilometer gespenstisch über die Wasseroberfläche. Wie er gelesen hatte, sollte es hier auf den Inselchen des Stockholm vorgelagerten Schärenschwarms Häuser in großer Zahl geben.
    Aber wahrscheinlich handelte es sich dabei größtenteils um reine Sommerresidenzen, deren Bewohner längst in die Hauptstadt geflüchtet waren, um dort warm und behaglich den Winter zu verbringen. Wie anders ließ es sich erklären, dass von nirgendwo anheimelnd Licht aus der Nacht herüberblinzelte und half, die düstere, angstvolle Stimmung zu vertreiben, die sich mit jedem zurückgelegten Kilometer drückender auf die Besatzungen der kleinen Polizeiflottille niedersenkte?
    Was die Scheinwerferkegel aus der Dunkelheit rissen, war auch nicht gerade dazu angetan, die allgemeine Laune zu verbessern - kahle, felsige Schärenbuckel, vom Wasser halb überspülte Klippen und dann und wann ein Stück Treibgut, eine Bootsplanke oder eine Tonne, die in der fast unmerklichen Dünung dümpelten. Selbst der Mond spendete kein beruhigendes Licht. Er hatte sich hinter einer Hochnebeldecke versteckt und hing als abgegriffene, matte Münze am trüben Himmel.
    Der Chef von Riksmordkommissionen war Ravens Blick gefolgt. Er nickte langsam, und sein Lächeln vertiefte sich. »Der Nebel kommt jetzt immer tiefer runter«, sagte er. »Das ist nicht schlecht. Er verbirgt unsere Annäherung. Wir müssen nur rechtzeitig unsere Scheinwerfer ausschalten.«
    Raven brachte das Klappern seiner Zähne unter Kontrolle. Stig Lundgren hatte seine Gedanken zwar falsch gedeutet, aber im Augenblick

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