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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die ihn hatte schwitzen lassen, war jetzt gänzlich verflogen. An ihrer Stelle war blanker Hass getreten. Einer mehr, der in den Turm wandern wird.
    »Ich heiße Ahasver«, erwiderte der Alte. »Ich bringe Gerechtigkeit ohne Mitleid und Gnade, auf immer und ewig. Und das ist mein Fluch.«
    Einen Augenblick lang verschlug es dem Hexenjäger angesichts so viel Anmaßung die Sprache, dann lachte er schallend auf.
    »Packt sie«, wandte er sich an seine Männer, »und werft sie zu den anderen, damit wir fortfahren können!«
    Bevor die Folterknechte reagieren konnten, streckte der Alte die Hand aus und berührte Nehemiah Oldhams Stirn mit der Spitze des Stocks. Ganz sanft malte er mit dem Holz ein Kainsmal auf dessen Stirn. Dann wiederholte er die Kennzeichnung auch bei William und Simon.
    Rings um ihn und den Jungen war alles zu völliger Reglosigkeit erstarrt. Arme und Beine schwebten in halber Bewegung mitten in der Luft. Atem stand brackig in unzähligen Kehlen wie Wasser in einem versandeten Teich. Augen starrten und sahen doch nicht, was geschah.
    Der Alte nickte sehr langsam. Die Tat war getan. Auf das, was nun folgte, hatte er keinen Einfluss. Aber er würde da sein, wenn der Fluch seine endgültige Erfüllung fand.
    »Lass uns gehen«, sagte er zu dem Jungen, und der Junge führte ihn schweigend aus dem Tableau hinaus, den Waldpfad entlang, den sie gekommen waren. Hinter ihnen erwachten Nehemiah Oldhams Männer und ihre Gefangenen gleichermaßen aus der Erstarrung. Und unverdrossen, fast so, als habe es nie eine Unterbrechung gegeben, fuhren die Hexenjäger in ihrem barbarischen Werk fort.
    Erst als sie das Dorf erreichten, wagte der Junge wieder zu sprechen.
    »Sie werden sich an nichts erinnern?«, erkundigte er sich bei dem Alten.
    Der nickte und lächelte wieder sein seltsames Lächeln. »An nichts«, bestätigte er. »Furcht könnte ihr Handeln verändern, und das darf nicht sein. Die Gerechtigkeit muss ihren Lauf nehmen.«
    Dem Jungen kam das falsch vor, aber er sagte es nicht. Mit gesenktem Kopf trottete er weiter.
    Bald darauf tauchten sie in den Schatten der gegenüberliegenden Talwand und waren auf einmal den Blicken der Menschen entzogen.
    Droben beim Turm setzte Nehemiah Oldham den Schlussstein auf die von William und Simon gemauerte Wand.
    Der Coup war glänzend ausbaldowert. Eigentlich konnte nichts schiefgehen. Trotzdem war Jazz so nervös wie selten in seinem an gefährlichen Situationen sicher nicht armen Leben, als der schwere Bentley mit einem unmerklichen Ruck zum Stehen kam und er durch das halb heruntergelassene Seitenfenster auf den Bürgersteig vor der Bank blickte. Im Augenblick waren kaum Menschen zu sehen. Nur eine junge Frau mit Kinderwagen kam gerade vorbei, aber die hatte die Eingangstür der Bank schon passiert und entfernte sich jetzt wieder die Straße herunter, in Richtung Normaluhr.
    Jazz folgte ihr mit seinen Blicken und wunderte sich, dass er in einem solchen Augenblick noch die Zeit fand, ihre Beine zu begutachten, die zwischen den Stöckelschuhen und dem Saum des kurzen Rocks unendlich lang wirkten. Trotz der herbstlichen Kühle trug sie keine Strümpfe. Jazz hatte schon ein paar Länder Europas gesehen und eine Menge Frauen kennengelernt, aber so verrückt wie die Engländerinnen waren keine.
    Als die junge Frau ihren Kinderwagen um die nächste Straßenecke schob, wanderten Jazz' Augen höher und blieben an den Zeigern der Normaluhr hängen. 15.30 Uhr. Wenn sie die Aktion jetzt nicht starteten, kamen sie nicht mehr vor der Rushhour aus Shilford heraus. Shilford-on-Thayne hatte sich aus einem dreckigen Dorf zu einer richtigen kleinen Stadt entwickelt, mit allem, was dazugehörte: Industrie und Banken, Verkehrschaos, Lärm und Gestank. Und ständig steigender Jugendkriminalität.
    Heute konnte man sich nachts dort nicht mehr auf die Straßen trauen. Die Kids wurden immer rabiater, aber das war ja eigentlich auch kein Wunder bei den herrschenden wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen.
    Nun, immerhin ging es den großen Unternehmen von Shilford trotz der landesweiten Rezession und Arbeitslosigkeit immer noch gut genug, dass auch die Bank, vor der sie angehalten hatten, noch einen anständigen Umsatz machte. Und von dem ganzen Zaster trennte sie nur ein Bürgersteig, eine Vorhalle und ein schneller, entschlossener Zugriff!
    Wenn der Coup so sauber ablief, wie sie hofften, dann hatten sie fürs Erste ausgesorgt.
    »Und - fertig machen!«, kommandierte Jazz. Mit einer

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