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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hochgewachsener junger Mann mit gebräunter Haut und ausgebleichten Haaren. Im Laufen riss er die MPi hoch und brüllte: »Das ist ein Überfall! Hände hoch! Keiner rührt sich von der Stelle, oder ich schieße!«
    Bevor er noch ins Sichtfeld der beiden schwenkbaren Videokameras kam, die die Kassenhalle unter ständiger Überwachung hielten, hatten Lefty und Billy-Boy schon ihre Aufgabe erfüllt. Kreisrunde schwarze Tücher, am Rand mit eingesäumten Gardinenblei beschwert; flogen durch die Luft und senkten sich über die Abtastkameras. Mit einem Ruck kamen die Kameras zum Stillstand, als sie sich in den Tüchern verfingen. Ihre Linsensysteme übertrugen nun nur noch gleichförmige Schwärze auf die Eisenoxidbänder, die in ihren Wandeinlassungen unermüdlich weiter routierten. Kein Täterfoto auf der Titelseite, kein Film vom Täter in den Fernsehnachrichten der BBC. Bis hierher war der Plan brillant gelaufen.
    Dass trotzdem alles schiefging, lag an dem einzigen Kunden in der Kassenhalle.
    Die Mäuschen hinter der Kundentheke - das Bankpersonal bestand zum größten Teil aus Frauen - hatten bei Jazz' hervorgebrüllten Worten treu und brav die Arme gehoben und die Hände in Richtung Decke gereckt. Der Kunde nicht. Vielleicht war er ein Kavalier, der die Damen der Bank vor der Bedrohung durch diesen heranstürmenden Schwerverbrecher schützen wollte. Vielleicht war er auch nur ein Bulle in Zivil oder ein armer Irrer, der in seinem umnebelten Gehirn morbide Lust verspürte, eine besonders exquisite Art des Selbstmords auszuprobieren.
    Denn auf Selbstmord lief das hinaus, was er nun tat.
    Er sprang Jazz ganz einfach an.
    Ohne überhaupt auch nur eine Sekunde nachzudenken, hob Jazz die Maschinenpistole und feuerte. Das war ein Fehler, denn dadurch wurde er für ein paar Augenblicke von den Geschehnissen hinter der Kundentheke abgelenkt, aber diese Tatsache war ihm auf dem sehr kurzen Weg zwischen Ruhestellung und Druckpunkt des Abzugshebels nicht bewusst. Er handelte völlig automatisch.
    Ganz so, wie er es beim Militär gelernt hatte.
    Da Jazz die MPi noch hochschwenkte, während er abzog, traf der Feuerstoß den Mann zuerst in den Bauch und dann in die Brust. Die Wucht der einschlagenden Kugeln war, ebenso wie ihre Anzahl, beträchtlich. Er war schon tot, bevor er auch nur den Boden berührte. Die ganze Zeit über hatte er nicht einen Ton von sich gegeben.
    Die Mäuschen hinter der Kundentheke schrien dafür umso lauter. Darüber vergaßen sie allerdings nicht, sich vorsichtshalber gleich in Deckung zu werfen. Bei dieser Gelegenheit löste eine von ihnen den Alarm aus.
    Sirenen begannen zu heulen, in der Kassenhalle, draußen vor der Bank und zwei Kilometer weiter in der nächsten Polizeiwache. Das wäre an sich nicht schlimm gewesen, denn Jazz und seine Flankenmänner hätten auch unter Sirenengeheul noch rasch ein paar Mille zusammenraffen und sich aus dem Staub machen können. Leider rächte sich jetzt, dass Spider beim Auskundschaften der Bank nicht sorgfältig genug vorgegangen war. Er hatte zwar die beiden Videokameras entdeckt, aber nicht bemerkt, dass es noch eine weitere Sicherungsvorrichtung gab, die durch das Niederdrücken des Alarmknopfes gleich mit ausgelöst würde.
    Aus der Decke rumpelte ein schweres, engmaschiges Stahlgitter herab und riegelte die Kundentheke und die dahinter liegende Fläche hermetisch von der Schalterhalle ab!
    Und es sollte noch schlimmer kommen.
    Jazz, Lefty und Billy-Boy waren schneller wieder aus der Bank heraus, als sie hineingekommen waren. In Jazz' Gehirn wirbelten die Gedanken, und seine Finger umschlossen krampfhaft das nun nicht mehr ganz so kühle Metall der Maschinenpistole. Er hatte bisher noch nie in seinem Leben einen anderen Menschen erschossen. Seine Schießerfahrungen - auch mit der MPi - hatten sich bisher stets auf Sandsäcke und Zielscheiben beschränkt, auch wenn diese Zielscheiben manchmal auf die Umrisse menschlicher Körper geheftet gewesen waren.
    Natürlich hatten sie bei ihrer Planung auch einkalkuliert, von der Waffe Gebrauch machen zu müssen, aber nun war es wirklich geschehen, und das war ganz etwas anderes. Vielleicht hätte Jazz sich damit trösten sollen, dass einmal schließlich immer das erste Mal ist, aber selbst dazu war er jetzt viel zu durcheinander.
    In diesem Augenblick, als sie unter dem Geheul der Sirenen den Bentley erreichten, bog ein Streifenwagen der Polizei um die Straßenecke. Mit schlitternden Reifen kurvte er an der

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