Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
Zauberer gefoltert, die mit dem Satan nichts zu schaffen hatten. Lasst ab davon, oder Ihr werdet dafür büßen müssen.«
Die Schweißperlen auf der Stirn des schwarz Gekleideten wurden womöglich noch dicker. Sie begannen, sich zu kleinen Rinnsalen zu sammeln und an seinen Nasenflügeln hinunterzulaufen. Mit einem Anflug von Unsicherheit verfolgte der Junge, wie Oldhams Männer, eine raue, brutale Scharr, näher herandrängten, um das unwirkliche Gespräch der beiden so ungleichen Männer besser verfolgen zu können. Nur die Wachen bei den Gefangenen blieben auf ihren Posten, aber auch sie spitzten lauschend die Ohren. Simon und William waren immer noch nicht aus dem Wald zurück.
»Wir haben Recht getan«, verteidigte sich der Hexenjäger mit zu lauter Stimme. »Wir waren in Shilford, bereit zum Winterquartier, als uns Kunde von diesem gottlosen Dorf zu Ohren kam. Da konnte es im Namen Gottes kein Halten mehr geben. Wir brachen sogleich unser Lager ab und eilten in drei Tagesmärschen hierher. In den Dörfern am Weg befragten wir glaubwürdige Zeugen. Uns wurde zu wiederholten Malen berichtet, dass Frauen und Männer alle zusammen berauscht und nackt hier am Turm getanzt und mit Satan gebuhlt hätten, dass es ein wahres Sodom und Gomorrha gewesen sei. Eine der Frauen, die Marian Prynn, hat darauf auch einen Wechselbalg geboren, einen Kilkropf, der seine Mutter und sonst fünf Muhmen ganz und gar ausgesogen hat in seiner Gefräßigkeit; den haben wir sogleich ins Feuer geworfen. Andere sind vom Teufel noch schwanger; die haben wir besonders scharf gefoltert, auch gestochen und getaucht, bis sie geständig waren. In ihren Häusern haben wir Hexensalben gefunden, Kristalle und allerlei Kräuterwerk zu heidnischem Tun. Und wie sie alle zusammen getanzt und gebuhlt haben, so sollen sie auch alle zusammen bei lebendigem Leibe in diesem Turm eingemauert verschmachten. Das ist die rechte Art, mit Hexen und Zauberern umzugehen. Hindere uns daran, wenn du kannst!«
Aufgemuntert von seiner eigenen Rede, starrte er den Alten herausfordernd an, sich jetzt wieder völlig gewiss, dass dieser merkwürdige Mann nur ein gewöhnlicher Mensch war und kein höllischer Dämon.
Der Alte schüttelte langsam den Kopf, ließ den Stock aber nicht sinken, der immer noch auf die Brust des Hexenjägers deutete. »Diese Macht ist mir nicht gegeben«, sagte er weithin hörbar. Jede Spur von Heiterkeit war nun aus seinem Tonfall verschwunden. »Aber wenn ihr nicht von eurem Werk ablasst, werde ich euch verfluchen - dich, Hexenjäger, und jeden deiner Männer, der einen Stein anfasst, um damit diese Unschuldigen einzumauern.«
Ein rohes Lachen unterbrach ihn mitten im Wort. »Du alte Vogelscheuche«, spottete eine kalte Stimme. »Was mag dein Fluch schon wert sein?«
Der Junge drehte sich rasch um, und seine Augen suchten den Sprecher. Es war William. Neben ihm stand Simon, der jetzt nicht weniger spöttisch hinzufügte: »Wir werden uns jedenfalls nicht davon abhalten lassen, das Loch im Turm wieder zu verschließen. Hinter seinen zukünftigen Bewohnern, heißt das. Wir sind nämlich Maurer von Handwerk, musst du wissen.«
Sie schienen sehr mit sich zufrieden und noch mehr von sich überzeugt zu sein. Der Junge überlegte, was wohl aus der Frau - Marian Prynn, wie er jetzt wusste - geworden sein mochte. Wahrscheinlich hatten sie sie wieder zu den anderen Gefangenen gestoßen.
Wenn sie nicht tot und geschändet im Unterholz lag.
»Überlegt es euch gut«, sagte der Alte noch immer völlig ruhig. »Gott der Herr ist gerecht, aber auch gnädig. Er verflucht bis ins zweite und dritte Glied. Ich hingegen bin nur gerecht. Und darum sage ich euch: Lasst ab, oder euer Geschlecht wird verflucht sein bis ins zwei Dutzendste Glied. Fünfhundert Jahre lang.«
Ein eisiger Schauer lief über den Rücken des Jungen. Es war nicht das erste Mal, dass er den blinden Greis so sprechen hörte.
Und es würde nicht das erste Mal sein, dass er miterleben musste, wie ein solcher Fluch Wahrheit wurde.
Nehemiah Oldham konnte von all dem natürlich nichts wissen. Grob stieß er den auf ihn gerichteten Stock beiseite und trat einen weiteren Schritt auf den Alten zu.
»Dann sag mir doch eins, guter Mann«, sprach er den Alten mit falscher Freundlichkeit an. »Wenn du nicht von Satan kommst und offenbar auch nicht von Gott, da dir seine Gnade so völlig abgeht - wer bist du dann, dass du glaubst, uns hier einfach verfluchen zu dürfen?« Die anfängliche Furcht,
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