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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Bürgersteigkante vorbei und kam frontal auf ihr Fluchtauto zugeschossen. Das Blinklicht oben auf dem Dach flackerte wie tollwütig. Es war ein fürchterlicher Augenblick, und der dauerte zu lange für Jazz' Nerven.
    Zum zweiten Mal an diesem Tag hob er die Maschinenpistole. Seine Augen suchten die beiden Polizisten, deren Gesichter er verzerrt durch die Frontscheibe des Streifenwagens erkennen konnte. Einer von ihnen hatte die Hand gehoben und deutete voraus, auf die Szene vor der Bank. Mit der anderen tastete er wahrscheinlich schon nach seiner Dienstpistole. Jazz glaubte förmlich, den Hass in ihren Blicken auf seiner Haut brennen zu spüren. Das war auch genau der Zeitpunkt, an dem er die seltsame Veränderung bemerkte, die plötzlich eingetreten war.
    Das hier war kein einfacher Banküberfall mehr.
    Das hier war ein Krieg.
    Auf der einen Seite stand er, der Outlaw, der Gesetzlose. Auf der anderen Seite standen die Bullen, das Gesetz.
    Wenn er sie besiegen wollte, musste er noch stärker mit militärischen Mitteln und militärischer Disziplin vorgehen, als ohnehin schon während der ganzen Aktion.
    Was hatte ihm sein Ausbilder bei der Armee immer wieder eingehämmert?
    »BASS, Junge, merk dir das, wenn du schießen willst. BASS! Immer nur daran denken, dann kann gar nichts passieren.«
    BASS.
    Breathe, Aim, Slack, Squeeze.
    Einatmen, Zielen, Druckpunkt nehmen, Abdrücken.
    Und genau das tat er jetzt - mit der MPi, die sich wie eine Geliebte in seine Arme kuschelte und auf das leiseste Streicheln seiner Fingerspitzen reagierte.
    Die Frontscheibe des Polizeiwagens zersplitterte in eine Million Stücke, genau dort, wo gerade noch das Gesicht des Polizisten gewesen war, der am Steuer saß. Eine Sekunde lang schien weiter gar nichts zu geschehen, dann brach der Wagen zur Seite aus, schleuderte von der Straße und prallte gegen einen Laternenmast, wo er mit dem Kreischen zerreißenden Metalls zum Stehen kam.
    Der Laternenmast knickte langsam ab. Durch die Erschütterung war der oben an der Spitze aufmontierte Glaskörper zerbrochen, und die Splitter rieselten wie in Zeitlupe auf das Dach des Streifenwagens nieder. Das Blinklicht dort hatte inzwischen erschrocken seine Arbeit eingestellt.
    Die Beifahrertür des Streifenwagens sprang auf, und etwas rollte aus dem Fahrzeuginneren und nahm hinter der Tür Deckung. Eine rote Feuerlanze stach um die noch in ihren Scharnieren pendelnde Tür herum. Jazz spürte, wie etwas Heißes und beängstigend Schnelles ganz dicht an seinem Ohr vorübersurrte.
    Eine zweite Feuerlanze blinkte auf, diesmal etwas dichter am Erdboden, und hinter sich hörte Jazz ein dumpfes Geräusch wie ein Faustschlag in ein Kissen und ein abruptes Aufkeuchen, das beinahe so klang, als sei jemand in letzter Sekunde vor dem Ertrinken wieder aufgetaucht und schnappe nach Luft. Irgendjemand zerdrückte einen Fluch zwischen den Zähnen. Jazz wusste, was das bedeutet.
    Lieber Gott, lass es nicht Lefty sein!, dachte er noch, dann riss er die MPi herum und ließ die nächste Salve fliegen, mitten in die Beifahrertür hinein. Querschläger prallten von den Metallkanten und dem Fensterrahmen ab und surrten deformiert davon, um sich am Straßenpflaster endgültig die Nase platt zu schlagen. Die meisten Kugeln gingen jedoch glatt durch die Tür hindurch - und durch den Mann, der hinter ihr kniete.
    Jazz konnte ihn nicht sehen, da die Reste der Tür den Blick versperrten, aber er konnte ihn hören. Er schoss immer weiter, bis die Schreie verstummten. Und da war auch die Maschinenpistole leer.
    Halb in Trance spürte er, wie ihn eine Hand am Ärmelaufschlag packte und zum Wagen zerrte. Er fühlte sich hineingestoßen, auf die Rückbank diesmal, und ließ die glühend heiße MPi auf den Wagenboden fallen. Türen knallten. Der Wagen schien sich in Bewegung zu setzen, aber Jazz achtete nicht darauf. Er hob seine zitternden Hände an den Kopf und versuchte, sich die Ohren zuzuhalten. Seine Augen starrten wie blind ins Leere, und sein Mund stammelte unzusammenhängende Worte, die weder er selbst noch ein anderer hörte.
    Ohrfeigen schüttelten ihn durch. Der Schock und das Brennen auf seinen Wangen brachten ihn wieder halbwegs zur Besinnung. Er blickte auf und sah geradewegs in das Gesicht Billy-Boys, des kleinen Cockneys. Er schien okay zu sein. Aber einen hatte es doch erwischt ...
    »Kümmere dich um Lefty«, sagte Billy-Boy mit unnatürlicher Ruhe. »Du bist doch bei der Armee in erster Hilfe ausgebildet worden.«
    Ja,

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