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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kurzen, tausendmal geübten Bewegung zog er die schwarze Strumpfmaske über den Kopf und klappte den Rollkragen seines bunt gemusterten Norwegerpullovers hoch. Ein rascher Blick in den Rückspiegel zeigte ihm, dass sein Bruder Lefty und Billy-Boy, der sommersprossige Cockney mit den flammend roten Haaren und dem verheerenden Akzent, es ihm gleich taten.
    Nur Spider, der Mann am Steuer, der Wochen zuvor die Örtlichkeiten ausgekundschaftet hatte, verzichtete auf jede Maskerade und begnügte sich mit einer ganz gewöhnlichen Sonnenbrille. Alles andere wäre zu auffällig gewesen; schließlich musste er draußen im Wagen vor der Bank warten, den Blicken eines jeden zufällig vorbeikommenden Passanten ausgesetzt.
    »Und - entsichern!«, kommandierte Jazz. Er war bei der Armee gewesen, und diese Zeit hatte ihn stark geprägt. Nur eine militärisch durchgeplante Aktion, das hatte er gelernt, konnte letztlich den großen Durchbruch bringen - das große Geld. Alles andere war Stümperkram.
    Drei Sicherungshebel klickten. Dann verschwanden die Pistolen von Lefty und Billy-Boy wieder in ihren Hosentaschen. Das war nicht ganz ungefährlich, aber sie würden ihre Hände in der ersten Phase der Aktion für etwas anderes brauchen. Jazz hatte keine große Lust, dass ihre Gesichter - wenngleich maskiert - am nächsten Tag auf den Titelseiten aller großen Tageszeitungen prangten. Und darum ...
    »Abschirmungen!«
    Stoff raschelte, als Lefty und Billy-Boy die vielleicht wichtigsten Ausrüstungsgegenstände des ganzen Coups vom Boden aufhoben und zusammenrollten - jene einfachen, aber genialen Vorrichtungen, die Jazz' planendem Gehirn entsprungen waren und die diesen Bankraub zu einem perfekten Verbrechen machen würden.
    Während die beiden auf der Rückbank noch mit den Abschirmungen beschäftigt waren, beugte sich auch Jazz vor und griff unter das Armaturenbrett. Mit einem raschen Griff löste er die MPi aus der dort angebrachten Halterung. Er hatte sie vor ein paar Monaten in Belfast von einem korrupten britischen Soldaten erstanden, ohne damals schon so recht zu wissen, was er damit anfangen sollte. Jetzt war der Augenblick gekommen, sie einer sinnvollen Verwendung zuzuführen. Wenn sich die Jungs von der IRA vor einem solchen Gerät fürchteten, warum dann nicht auch ein paar popelige Bankangestellte?
    Und wer um sein Leben fürchtet, leistet keine Gegenwehr. Und drückt vor allem nicht auf den Alarmknopf, um die Bullen zu rufen.
    Jazz' Finger streiften beinahe zärtlich über das glatte, kühle Metall und den bereits eingelegten Patronenstreifen. Die MPi war in fantastischem Zustand; erst heute Morgen hatte er sie noch einmal gereinigt und die beweglichen Teile sorgfältig eingefettet. Sie machte den, der sie bediente, zum Herren über Leben und Tod. Und wer in ihre schwarze, schläfrige Mündung schaute, der würde das auch wissen und sich entsprechend verhalten ...
    Klick, machte der Sicherungshebel. Jazz' schweißfeuchte Fingerspitzen hinterließen einen leichten Nässehauch wie Tau auf dem gekrümmten Metallstück. Als Jazz die MPi an seine Brust hob, schien sie sich wie ein lebendiges Wesen an ihn zu schmiegen. Die Übereinstimmung von Mann und Todesmaschine war perfekt. Perfekt.
    »Und - los!«, kommandierte Jazz. Wie von selbst schwang die Beifahrertür auf, und Jazz hebelte seine langen Beine aus dem Wagen. Wie im Traum berührten seine Füße das Bürgersteigpflaster. Er stieß sich zusammengekrümmt nach oben, und dann stand er.
    Mit einer automatischen Handbewegung schlug er die Tür hinter sich zu. Das musste sein; es wäre zu auffällig gewesen, die Türen offen zu lassen, während sie in der Bank waren.
    Hinter ihm knallten noch zwei Türen, und da merkte er, dass er schon den halben Bürgersteig hinter sich hatte und auf dem Weg zum Eingang der Bank war. In seinen Schläfen pochte das Blut einen unruhigen Rhythmus mit vielen Synkopen.
    Als er den Strahl der Fotozelle überschritt, glitt die gläserne Haupttür lautlos vor ihm auseinander. Er spürte, dass Lefty und Billy-Boy ganz dicht hinter ihm waren, jeweils einen halben Meter zu seiner Rechten und Linken. Genau auf der Höhe der zurückgefahrenen Tür gab er den letzten Befehl.
    »Und - lauft!«
    Er gab ihnen gut eine Sekunde Zeit, hörte, wie ihre Füße auf dem glatten Kunststoffboden scharrten, als sie auseinander spritzten, dann lief auch er selbst los, direkt auf die Reihe der Kassenschalter zu, vor der im Augenblick nur ein einziger Kunde stand, ein

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