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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Sinn - wenn man wusste, mit welchem Gegner man es wirklich zu tun hatte.
    Er ächzte, zog geistesabwesend eine Zigarette aus der Packung und schob sie nach einem Blick auf den überquellenden Aschenbecher wieder zurück. Der pelzige Geschmack auf seiner Zunge war auch so schlimm genug.
    Seine kleinen, plumpen Finger klappten den Kunststoffhefter zu, in dem er bisher gelesen hatte, er legte ihn sorgfältig auf den Stapel zu seiner Rechten und nahm ein anderes Schriftstück zur Hand. Von allen Beweisen war dies der überzeugendste - wie gesagt, wenn man wusste, mit wem man es zu tun hatte.
    Er klappte den Ordner auf und breitete seinen Inhalt auf der Schreibtischplatte aus. Es handelte sich um ein halbes Dutzend großformatiger Fotos; Abzüge und Detailvergrößerungen eines einzigen Negativs. Card hatte das Bild in den wenigen Stunden, die er jetzt hier war, schon unzählige Male betrachtet. Und trotzdem erfüllte es ihn noch mit dem gleichen eisigen Schrecken wie beim ersten Mal.
    Das Foto zeigte einen Reiter: groß, massig und unglaublich muskulös und breitschultrig. Er war mit einem schwarzen, lose fallenden Umhang bekleidet, der Mann und Reiter fast vollkommen den Blicken entzog, und auf seinem Schädel saß ein barbarisch anmutender Hörnerhelm. Die Gestalt war absolut schwarz. Ein Schwarz, das tiefer war als alles, was Card je zuvor gesehen hatte. Aber das war nicht das eigentlich Unheimliche an der Erscheinung. Der wirkliche Schrecken offenbarte sich erst, wenn man genau hinsah.
    Card beugte sich über das Foto, zog die Lider zu schmalen Schlitzen zusammen und schüttelte den Kopf. Durch den nachtschwarzen Körper des Unheimlichen waren schemenhaft die Umrisse der Bäume hinter ihm zu erkennen. Der Mann schien keinen festen Körper zu besitzen, sondern ein bloßer Schatten zu sein.
    Es gab keinen Zweifel. Die Gestalt auf dem Bild war ein Schattenreiter!
    Card sammelte die Bilder wieder ein, legte den Ordner beiseite und stand auf. Er hätte noch den Rest des Tages und die gesamte Nacht damit zubringen können, die angesammelten Daten durchzusehen. Aber das würde ihn keinen Schritt weiterbringen. Wenn es überhaupt eine Möglichkeit gab, diesem unheimlichen Feind beizukommen, dann nur draußen an der Front.
    Seine Gedanken irrten für einen Moment zurück zu dem Tag, an dem er den unheimlichen Dämonen aus dem Schattenreich zum ersten Mal begegnet war. Für einen winzigen Augenblick glaubte er sich wieder in dem Penthouse hoch über den Dächern Londons, hilflos, gelähmt vor Schrecken und Unglauben, über sich den gigantischen Körper des Schattenreiters ...
    Er hatte geglaubt, es wäre vorbei. Aber das war ein Irrtum gewesen.
    Er schüttelte die bedrückenden Erinnerungen mit einer ärgerlichen Kopfbewegung ab und verließ das Büro. In der Polizeiwache war es ungewöhnlich still. Card sah auf die Uhr. Die normale Dienstzeit war schon lange vorüber, und außer der verminderten Besatzung der Nachtschicht war das Gebäude verwaist. Nur durch die Milchglasscheibe einer Tür am Ende des Korridors schimmerte noch trübes Licht.
    Er ging den Gang hinunter, klopfte kurz an und öffnete die Tür, ohne auf eine Antwort zu warten. Der Raum war leer bis auf einen nackten Tisch, der von zwei unbequemen Hockern flankiert wurde. Ein typisches Verhörzimmer. Sein Blick streifte kurz das schlaffe, abgespannt wirkende Gesicht des Mannes dahinter und bohrte sich dann in Kemmlers Eulenaugen.
    »Nun?«
    Kemmler schüttelte müde den Kopf. »Er bleibt dabei.«
    Card lächelte flüchtig. Warum sollte der Mann nicht bei der Wahrheit bleiben? Aber er sagte nichts.
    »Sie sind Mister ...?«
    »Stevens«, antwortete der Mann matt. »Ich - habe den Lkw gefahren. Aber ich habe bereits alles gesagt, was ich weiß. Ein paar Dutzend Mal. Aber Ihr Kollege scheint mir nicht zu glauben.«
    Kemmler lachte hell auf. »Bei der Geschichte, die Sie mir aufgetischt haben, ist das kein Wunder, Stevens!«
    »Aber sie stimmt.«
    Card lächelte und ließ sich auf der Tischkante nieder. »Erzählen Sie sie mir«, verlangte er.
    Stevens verzog das Gesicht. »Zum wie vielten Mal?«
    »Vielleicht zum letzten Mal«, antwortete Card achselzuckend. »Versuchen Sie es wenigstens.«
    »Er wird Ihnen dasselbe Ammenmärchen auftischen wie mir«, sagte Kemmler.
    Card wandte den Kopf und sah ihn scharf an. »Ihr Misstrauen in Ehren, Kollege, aber das Bild beweist eindeutig, dass ...«
    »Ich bestreite ja gar nicht, dass es diese Schattenreiter - oder wie immer

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