Raven - Schattenreiter (6 Romane)
Jackentasche griff und sein Feuerzeug hervorholte. Er ließ es aufschnappen. Die winzige gelbe Flamme schien in der gräulichen Dämmerung unnatürlich hell zu leuchten.
Raven blinzelte und ließ das Feuerzeug ein zweites Mal aufschnappen. Die Flamme brannte wirklich heller als normal - und sie flackerte. Von irgendwoher kam Zugluft. Dort musste auch der Ausgang zu diesem unterirdischen Labyrinth liegen!
Er starrte ein paar Sekunden lang in die tanzende Flamme, versuchte sich die Richtung einzuprägen, aus der der Zug kam, und ließ das Feuerzeug dann wieder in der Jackentasche verschwinden. Seine Augen benötigten ein paar Sekunden, um sich wieder an das graue Dämmerlicht zu gewöhnen. Er wartete geduldig, bis die formlosen Umrisse vor ihm wieder zu Felsen und Spalten geworden waren, und kletterte dann ächzend weiter.
Er musste sein Feuerzeug noch ein halbes Dutzend mal als Wegweiser benutzen, ehe er endlich das Ende der Höhle erreicht hatte. Der steinerne Wald endete so abrupt, wie er begonnen hatte, und Raven stand vor einer senkrechten, glatten Felswand.
Er ließ enttäuscht die Schultern sinken.
Die Wand war so fugenlos, als wäre sie aus einem Stück gegossen. Ihr oberes Ende verlor sich irgendwo über seinem Kopf in schattigem Schwarz.
Raven schluckte einen Fluch herunter und drehte sich einmal um seine Achse. Hinter ihm erhob sich das schwarze Gewirr der Felsen, und vor ihm dehnte sich die fugenlose Wand zu beiden Seiten, so weit er gehen konnte.
Aber irgendwo musste es doch einen Ausgang aus dieser Falle geben!
Raven sah sich wütend um. Die Riesenschabe musste irgendwo hergekommen sein, und er konnte sich nicht vorstellen, dass das riesige Tier an der glatten Wand heruntergekrochen war.
Eine Bodenspalte zu seiner Rechten erregte seine Aufmerksamkeit. Sie war ein wenig breiter als die, die er bisher gesehen hatte, und ihre Ränder schienen seltsam regelmäßig. Er trat dicht heran, ließ sich auf die Knie sinken und spähte vorsichtig über den Rand.
Die Wände stürzten senkrecht in die Tiefe. Am Grund des Schachtes, vielleicht fünfzig, sechzig Meter unter ihm, brodelte eine zähflüssige rote Masse. Ein Schwall warmer Luft schlug ihm entgegen, und noch während er hinsah, bildete sich auf der Oberfläche des roten Glühens eine Blase. Es zischte. Dunkelroter Dampf stieg auf, dann platzte die Blase und entließ eine Wolke schwefelig riechender Luft.
Lava, dachte er. Die Höhle musste direkt über einer noch aktiven Lavaader liegen.
Und plötzlich wusste er auch, wieso der Boden in diesem Teil der Höhle so seltsam schroff und zerschrunden aussah! Offensichtlich war der Lavastrom tief unter ihm nicht ganz so friedlich, wie es im Moment den Anschein hatte. Die bizarre Felslandschaft rings um ihn hatte sich gebildet, als das geschmolzene Gestein aus den Schächten emporgequollen und erstarrt war!
Wieder tauchte eine Gasblase auf der Oberfläche des Lavastroms auf und zerplatzte. In der dunkelroten Oberfläche der Steinschmelze erschien plötzlich ein Muster aus hellen, orangerot glühenden Strichen und Linien. Ein sanftes Zittern lief durch den Boden. Gleichzeitig verstärkte sich der Schwefelgestank.
Raven prallte entsetzt vom Rand des Schachtes zurück. Irgendwo knisterte etwas, und von der Decke der Höhle löste sich ein Felsbrocken und krachte splitternd und berstend in die erstarrte Lava.
Raven zog den Kopf ein, als ein Hagel winziger, scharfkantiger Steintrümmer über ihn hinwegfegte. Der Boden zitterte wieder, heftiger und länger diesmal. Dann drang ein dumpfer, stöhnender Laut aus den Wänden. Ein Geräusch, das Raven einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. Es klang, als stöhne der Berg vor Schmerzen.
Er sprang auf und sah sich gehetzt um. Die Lavaader unter seinen Füßen stand kurz vor einem Ausbruch! Er musste hier raus, wenn er nicht von der glühenden Lava verbrannt werden wollte!
Ein neues Geräusch ließ ihn herumfahren. Einen Moment lang sah er nichts außer dem verwirrenden Muster der Felsen, dann erschien ein flacher, silbern schimmernder Körper zwischen den Lavamassen.
Die Schabe!
Raven prallte zurück und sah sich instinktiv nach einer Fluchtmöglichkeit um. Aber das Ungeheuer schien sich nicht für ihn zu interessieren. Der flache Schädel ruckte für einen Moment herum, als die nachgewachsenen Antennen die Bewegung auffingen, aber dann huschte das Wesen dicht an Raven vorbei und trippelte mit kleinen, schnellen Schritten auf die Felswand zu.
Raven
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