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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Sie sie nennen wollen - gibt. Und ich glaube sogar, dass er zwei von ihnen überfahren hat ...«
    »Angefahren«, fiel ihm Stevens ins Wort. »Ich konnte überhaupt nichts machen. Sie ritten einfach auf die Straße. Dabei müssen sie den Lkw gesehen haben. Einen Achtunddreißigtonner übersieht man doch nicht so einfach! Ich ...«
    »Schon gut«, sagte Kemmler besänftigend. »Ich glaube Ihnen ja. Was ich nicht glaube, ist, dass sie sich anschließend in Luft aufgelöst haben sollen.«
    »Aber es war so!«, widersprach Stevens. Seine Stimme zitterte vor Erregung. »Warum sollte ich mir eine so unglaubliche Geschichte ausdenken?«
    »Zum Beispiel, weil Sie nach dem Unfall die Nerven verloren haben und davongefahren sind. Weil Sie dann Gewissensbisse bekommen haben und zurückgefahren sind«, sagte Kemmler hart. »Und weil Sie dann festgestellt haben, dass jemand in der Zwischenzeit die Leichen fortgeschafft hat.«
    Stevens schnaubte. »Wenn es wirklich so gewesen wäre, hätte ich mir nicht die Mühe gemacht, zur Polizei zu gehen. Ich wäre zum Hafen gefahren und hätte die nächste Fähre genommen. Ich wäre jetzt längst in Frankreich.«
    »Das konnten Sie nicht riskieren«, widersprach Kemmler. »Sie ...«
    Card unterbrach ihn mit einer kaum merklichen Handbewegung. »Vielleicht versuchen wir es anders herum«, sagte er zu Stevens. »Ist es möglich, dass die Männer nicht tot waren? Ich meine, dass sie nur verletzt worden sind und ...«
    »Unmöglich«, unterbrach ihn Stevens. »Die beiden sind mir direkt vor den Kühler geritten. Sie wissen nicht, was ein Zug wie meiner anrichten kann. Wer davon erwischt wird, der ist hin.«
    Card wiegte den Kopf. »Trotzdem. Es wäre doch möglich, dass mein Kollege Recht hat. Ihnen passiert nichts, wenn Sie zugeben, davongefahren zu sein. Immerhin standen Sie unter Schock, und ich verspreche Ihnen, dass wir auf eine Anzeige wegen Unfallflucht verzichten. Es geht hier um mehr.«
    Stevens schüttelte hartnäckig den Kopf. Card bewunderte die Standhaftigkeit des Mannes fast. Er selbst wäre wahrscheinlich schon längst zusammengeklappt und hätte sich eine plausible Ausrede einfallen lassen, nur um das quälende Verhör endlich zu beenden.
    »Es war so, wie ich es sage«, beharrte er,
    Card seufzte, stand auf und ging zur Tür. »Ich möchte Sie einen Moment sprechen«, sagte er, ehe er die Klinke herunterdrückte und auf den Gang trat. Kemmler folgte ihm.
    »Ich fürchte, Sie werden den Mann laufen lassen müssen«, sagte Card, nachdem Kemmler die Tür hinter sich zugezogen hatte. »Sie können ihm nichts vorwerfen.«
    »Und ob ich das kann! Den Unfall mindestens.«
    »Aber das reicht nicht, um ihn bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag festzuhalten.«
    »Bis dahin nicht, aber lange genug, bis er endlich die Wahrheit sagt. Oder bis wir auf anderem Wege weitergekommen sind«, sagte Kemmler.
    Card überlegte. Er wusste, dass der Mann die Wahrheit sprach. Aber er konnte Kemmler ebenso verstehen. Noch vor ein paar Monaten hätte er jeden, der ihm eine derartig unglaubhafte Geschichte auftischte, schon aus Prinzip eingesperrt.
    »Springen Sie nicht zu hart mit ihm um«, sagte er.
    Kemmlers Gesicht blieb ausdruckslos. »Ich halte mich streng an die Vorschriften.«
    Card zuckte mit den Schultern und gab auf. Er hätte seine Machtposition ausspielen und Kemmler zwingen können, den Mann freizulassen. Aber es war noch zu früh dazu. Er musste zumindest einen Beweis in Händen haben, ehe er versuchen konnte, Kemmler die Wahrheit zu erklären.
    »In Ordnung. Machen Sie weiter! Ich werde mich inzwischen ein wenig umsehen. Können Sie mir einen Wagen stellen?«
    »Selbstverständlich. Wo erreiche ich Sie?«
    »Ich möchte mir die Pension ansehen, in der Raven und Miss Land gewohnt haben.«
    »Was davon übrig ist, meinen Sie«, sagte Kemmler. »Ihr Freund hat schlimmer gewütet, als es Dschingis Khans Horden gekonnt hätten.«
    Card lächelte und verzichtete auf eine Antwort. Er drehte sich auf dem Absatz um, nickte noch einmal grüßend über die Schulter zurück und ging langsam den Korridor hinunter.
    Das Haus lag wie ein winziges Spielzeugmodell am Fuße des Hügels. Die untergehende Sonne verwandelte seinen Schatten in einen bizarren Umriss, der sich wie eine groteske, fingerlose Hand auf den verlassenen Strand hinauszutasten schien. Hinter den Fenstern im Erdgeschoss brannte Licht, und aus dem Kamin kräuselte eine dünne Rauchfahne.
    Die drei Gestalten waren lautlos aus dem Wald herausgetreten

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