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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Gefährliches und Drohendes. Sie spürte es.
    Coco verlor allmählich die Geduld. »Jetzt zier dich nicht und komm!«, sagte er wütend. »Wir haben keine Zeit für stundenlange Diskussionen.«
    Hillary wollte erneut protestieren, aber Coco packte sie kurzerhand bei der Schulter, drehte sie um und stieß sie vor sich her die Treppe hinunter.
    Es wurde spürbar kälter, als sie in die Tiefe stiegen. Die Treppe schien endlos zu sein und kein Ende zu nehmen. Das helle Rechteck der Tür blieb über ihnen zurück, und schon nach wenigen Schritten bewegten sie sich durch absolute Dunkelheit.
    Hillarys Herz begann wild zu pochen. Wieder überfiel sie diese unbegründete, kaum zu beherrschende Angst, und sie musste sich zwingen weiterzugehen. Coco war so dicht hinter ihr, dass sie seinen Atem im Nacken spüren konnte, und trotzdem kam sie sich mit einem Mal unglaublich einsam und verlassen vor.
    Sie streckte die Hand aus, ließ die Finger über den feuchten, kalten Stein gleiten und fuhr erschrocken zurück, als sie etwas Nasses, Schleimiges ertastete. Irgendwo unter ihr quiekte etwas, dann hörte sie das Trippeln winziger Füße. Ratten!, dachte sie entsetzt. Es gab kaum etwas, vor dem sie sich mehr fürchtete als vor Ratten.
    Nach einer Ewigkeit erreichte sie die letzte Stufe. Unter ihren Füßen war plötzlich kein Beton mehr, sondern glitschiger Stein. Sie machte noch einen Schritt, blieb stehen und taumelte ein Stück vorwärts, als Coco von hinten gegen sie prallte.
    »Geschafft«, seufzte der Schwarze hinter ihr. »Hier unten finden uns die Bullen nie.«
    Hillary starrte aus angstvoll aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. Um sie herum war Schwärze, eine so absolute Schwärze, wie sie sie noch nie zuvor in ihrem Leben erlebt hatte.
    »Wo - wo sind wir?«, flüsterte sie stockend. Ihre Stimme erzeugte ein hallendes, verzerrtes Echo. Der Raum, in dem sie waren, musste sehr groß sein.
    »Keine Ahnung«, murmelte Coco. »Irgendwo unter der U-Bahn. Wir sind in Sicherheit.«
    »Aber hier unten - ist doch nichts ...«
    Coco lachte leise, aber der Laut klang unsicher, als hätte er ihn nur ausgestoßen, um sich selbst zu beruhigen. »Das müssen die alten Gänge sein«, sagte er. »Hab mal gehört, dass es unter den Gleisen noch ein ganzes Labyrinth von Tunneln gibt. Das muss es sein.«
    »Und was jetzt?«
    Coco antwortete nicht gleich, aber Hillary konnte hören, wie er sich hinter ihr unschlüssig hin und her bewegte. »Am besten gehen wir dem Luftzug nach«, sagte er schließlich. »Irgendwo müssen wir ja rauskommen. Hauptsache, wir haben die Bullen abgeschüttelt. Komm jetzt!« Er tastete im Dunkeln nach ihrer Hand, drückte ihre Finger fest zusammen und ging mit vorsichtigen, kleinen Schritten los.
    Hillary presste sich eng an ihn. Das Echo ihrer Schritte begleitete sie, und ihr Herz hämmerte so laut, dass sie sich einbildete, das Geräusch müsse selbst oben auf der Straße noch deutlich zu hören sein.
    Der Stollen nahm kein Ende. Er hatte seine Lampe verloren, aber er konnte trotzdem sehen. Von irgendwoher kam Licht - ein kränklicher grauer Schimmer, der aus den feuchten Ziegelsteinwänden und der Decke zu strömen schien und alles, was mehr als ein paar Schritte entfernt war, in wesenlosen grauen Schatten verschwinden ließ.
    Er rannte, rannte so schnell, wie er noch nie zuvor in seinem Leben gerannt war, und hatte doch das Gefühl, nicht von der Stelle zu kommen. Es war wie in einem jener grausigen Albträume, in denen man lief und lief und lief und sich doch nicht vorwärtsbewegte, und wie in einem dieser Träume war das Grauen hinter ihm her.
    Aber dies war kein Traum, und das Ding hinter ihm war real. Real und tödlich, obwohl es unmöglich war, nicht leben durfte.
    Trotzdem existierte es. Er hatte gesehen, wie es aufgestanden war, sich langsam, mit Unbeholfenheit erhoben hatte, hatte gesehen, wie es auf Hammersmith zugegangen war, seinen Schädel zwischen die mächtigen Pranken genommen hatte ...
    Stone versuchte das Bild aus seinen Gedanken zu verjagen, aber es ging nicht. Er würde es nie vergessen.
    Er stolperte, verlor das Gleichgewicht und fing sich im letzten Moment an der feuchten Steinwand ab. Ein scharfer Schmerz zuckte durch seine zerschundenen Hände, aber das spürte er kaum. Er war ein Dutzend Mal gestürzt, hatte sich Hände und Knie und Gesicht aufgeschlagen und blutete aus unzähligen Schürfwunden. Aber alles, was er fühlte, war Angst. Angst, wie er sie noch nie zuvor in seinem Leben

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