Raven (Shadow Force) (German Edition)
recht“, fügte er daher nach. „Und jetzt ab mit dir.“
Raven nahm Lianne auf seine Arme und trug sie zum Helikopter hinüber, bevor sie antworten konnte. Alles, was gesagt werden musste, war gesagt. Er setzte sie auf den freien Sitz, schnallte sie vorsichtig an und trat mit einem letzten Blick auf Buzz und Lianne zurück. Sie wirkte klein, unglücklich und irgendwie hilflos. Das Herz war ihm schwer und er verspürte den inneren Drang, sie sofort wieder in seine Arme zu nehmen. Doch der Helikopter hob mit lautem Getöse ab und verschwand in den Wolken. Lianne hatte gezeigt, dass sie sich auch in einer schwierigen Situation behaupten konnte. Sie war eine starke Frau. Raven behielt den stählernen Vogel so lange im Blick, bis er nur noch ein kleiner Punkt am Himmel war. Erst dann konnte er sich aus der Starre lösen, die ihn befallen hatte.
„Bist du bereit?“, ertönte Franks Stimme hinter ihm.
Raven drehte sich zu Frank um. Er kannte diesen angespannten und brennenden Blick. Sie waren auf der Jagd und würden nicht aufgeben, bis Zoran Balakov und seine Helfershelfer zur Strecke gebracht worden waren. Das Ganze war für sie zu einer persönlichen Sache geworden, die für eine Seite tödlich enden würde. Keine Gnade, kein Pardon. Ravens Sinne schärften sich und er fühlte heißen Zorn durch seine Adern pulsieren.
„Zum Teufel, ja. Wir holen uns den Mistkerl.“
„Es wird nicht einfach werden“, mahnte Frank.
„Wann ist es das schon?“, gab Raven zurück, ohne eine Antwort zu erwarten. „Ich kann´s kaum erwarten, diesem Wahnsinnigen den Hals umzudrehen.“
„Wenn ich dir nicht zuvorkomme.“ Franks Lippen verzogen sich und er klopfte seinem Freund aufmunternd auf die breiten Schultern.
*
Der Helikopter landete auf dem Dach eines bekannten Militärhospitals in der Nähe von London. Lianne hatte den stets stark bewachten Gebäudekomplex schon öfters von außen gesehen, jedoch nicht erwartet, selbst eines Tages Patientin hinter diesen massiven Mauern und riesigen Stahltoren zu sein. Das Gemäuer wirkte wie ein graues, gewaltiges Ungetüm, das sich mitten in der grünen Landschaft wie ein Fremdkörper anfühlte . Abweisend und deplatziert. Sie hatte die ganze Zeit des Fluges Scarletts Hand gehalten, geschwiegen und gebetet. Ihre Tränen waren getrocknet, doch ihre Augen brannten schmerzhaft nach. Die tiefe Traurigkeit in ihrem Herzen hatte Wut und gleichzeitig Hoffnung Platz gemacht. Hoffnung, dass die Schrecken bald verblassen würden und Frank und Raven erfolgreich waren. Zwei Ärzte, einige Sanitäter und Krankenschwestern erwarteten sie bereits. Ihre weißen Kittel flatterten im Wind der Rotoren wie wehende Flaggen. Nach der Landung brach geschäftige Hektik aus, in der sie von Scarlett getrennt wurde. Während ihre Freundin in den Intensivbereich verbracht wurde, konnte Lianne auf eigenen Beinen einen Untersuchungssaal und später ihr Krankenzimmer betreten. Dort verbrachte sie die nächsten drei Tage, ohne direkte Nachrichten von Frank oder Raven zu erhalten. Sie bekam lediglich spärliche Informationen, die darauf deuteten, dass der Flüchtige noch immer nicht gefasst und ihr Bruder sowie Raven wohlauf waren. Scarlett war in der Zwischenzeit operiert worden und schlief nun ihrer hoffentlich vollständigen Genesung entgegen. Eine gebrochene Rippe hatte ihren rechten Lungenflügel durchstoßen. Das war schlimm genug. Ernster waren allerdings kleine Frakturen an zwei Wirbeln, die sie sich beim Aufprall auf den Baum und Sturz auf den Boden zugezogen hatte. Sie hatte Glück im Unglück gehabt, denn die Wirbelsäule war nicht vollständig durchtrennt worden. Sonst wäre sie unweigerlich von den Schultern abwärts gelähmt gewesen. Ein fürchterlicher Gedanke. Lianne selbst hatte nur leichte Blessuren davongetragen, die zwar schmerzten, aber nicht weiter besorgniserregend oder für sie selbst wichtig waren. Wunden konnten heilen. Quälender war die Sorge um Scarlett, Frank und Raven. Zur Untätigkeit gezwungen zu sein. Abwarten zu müssen und an die Decke zu starren. Das war ganz und gar nicht ihr Ding und hatte etwas von eingesperrt sein. Einzige Ausnahme waren ihre täglichen Besuche auf der Intensivstation bei Scarlett, die jedoch nur wenige Minuten dauerten. Zwischen den vielen Apparaten und Schläuchen wirkte ihre Freundin klein und zerbrechlich. Am dritten Tag wurde sie endlich von zwei wortkargen Militärpolizisten in einen Raum geführt, der in einem anderen Teil des riesigen
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