Raven (Shadow Force) (German Edition)
geht?“
„Doch.“ Er klang deutlich gereizt, aber das war nicht ihr Problem.
Sie ließ seine grobe Art an sich abprallen. „Bist du ein … Schattenkrieger?“ Schließlich konnte er sie nicht einfach über die Schulter werfen und aus dem Hospital schleppen. Oder doch? Diesem Mann war wahrscheinlich alles zuzutrauen.
„So nennt man uns wohl“, bestätigte er ihre Annahme missmutig.
„Also doch.“ Ihr Herz machte einen weiteren Sprung. „Das war unglaublich mutig und tapfer und ...“ Bevor sie sich richtig bedanken konnte, fasste er erneut nach ihrer Hand und zog sie hinter sich her wie ein bockiges Kind, das nicht sofort gehorchen will. Von guten Manieren schien ihr Retter wenig zu halten. Gut, das würde sie ihm verzeihen. Diese s Mal.
„Du kannst mir später danken. Komm jetzt!“
Seiner Kraft konnte sie nichts entgegensetzen. Im letzten Moment gelang es ihr gerade noch , ihre Handtasche von der Garderobe zu reißen. Die vielleicht für andere Menschen schäbig anmutende Clutches Bag hatte ihrer verstorbenen Mutter gehört. Sie hütete das abgewetzte Stück Leder wie einen kostbaren Schatz.
„Nicht so schnell!“ Sie eilte hinter Raven her und schulterte die Tasche. Schon bald hatten sie das Ende des Ganges erreicht, ohne gesehen zu werden.
„Wir haben keine Zeit, verstehst du das nicht?“
Eigentlich nicht, nein. Gerade verstand sie nichts. Sie hatte unendlich viele Fragen und er machte eine Miene, als wolle er ihr am liebsten den Hals umdrehen. Sie fragte sich, warum. In diesem Moment blickte sie an ihrem Körper hinab und stieß sie einen Laut des Entsetzens aus.
„O nein, ich muss zurück!“
„Warum das?“ Er runzelte die Stirn.
„Ich habe nur Pantoffel n an.“
„Bitte?“ Raven blickte sie an, als habe sie zwei Nasen und fünf Ohren und schüttelte mit dem Kopf. Wahrscheinlich hielt er sie für durchgeknallt oder undankbar.
„So kann ich nicht gehen“, beharrte sie.
„Und ob.“
„Ich beeile mich auch.“ Gewinnend versuchte sie , zu ihm emporzuschauen, doch seine Mimik wurde noch starrer und eisiger, wenn das überhaupt möglich war. In seiner Gegenwart könnte das fließende Wasser der Themse zu einer Eislaufbahn erstarren. „Keine Chance?“
„Nicht einen Hauch davon.“
„Oh.“ Also gut, dann eben Flucht in Pantoffeln.
Er schien nicht in Flirtlaune und gegen ihren Augenaufschlag immun zu sein. Lianne beschränkte sich auf ein entrüstetes Hüsteln und beobachtete ihn unter gesenkten Wimpern. Sie konnten das Treppenhaus nehmen oder einen der Fahrstühle, doch Raven blieb wie angewurzelt stehen und schien sich zu konzentrieren. Auf was auch immer. Was wohl Big Mama oder die anderen denken würden, wenn sie ohne ein Wort zu sagen aus dem Krankenhaus verschwand? Warum sollte ein einfacher Mensch wie sie in Gefahr sein? Vielleicht ging die Gefahr von den Menschen aus, die mit Franks Verschwinden zu tun hatten. Oder denen, die ihn für tot erklärt hatten. Warum hatten sie sonst nicht nach ihrem Bruder gesucht oder sie selbst bei Gesprächen mit dummen Floskeln und leeren Phrasen abgespeist? Die ganze Geschichte stank zum Himmel und irgendwo musste es eine Verbindung geben. Eine Verbindung, die vielleicht in ganz hohe Kreise oder sogar bis in die Regierung führen würde. Ihr Chef hatte sie oft aufgezogen, dass ihre blühende Fantasie eines Tages mit ihr durchgehen und sie in Schwierigkeiten bringen würde. Dennoch hatte er ihre gut recherchierten Reportagen gern gedruckt und letztlich ihr feines Näschen für eine top Geschichte gelobt. Sie ahnte förmlich, dass eine ganz große Sache hinter all diesem Zauber stecken musste. Schließlich begann ein Fisch , vom Kopf an zu stinken. Sie musste fliehen, so viel stand fest. Und d as in roten Pantoffeln, blauem Jogginganzug und an der Seite eines Mannes , von dem sie nur wusste, dass sie ihm ihr Leben anvertrauen konnte. Aber war das nicht unendlich viel und somit mehr, als man ansonsten über einen Mann in vielen Monaten Beziehung erfahren würde? Vielleicht nie? Die Situation war unglaublich verwirrend und surreal, aber auch irgendwie … aufregend. Sie war nicht nur Schreiberin einer Story, sondern Teil davon. Sie fühlte sich lebendig wie nie.
„Warum rufen wir nicht die Polizei?“, schlug sie vor und suchte erneut seinen Blick. „Einige Beamte waren bereits hier und haben mich befragt. Es handelt sich vielleicht um ein Missverständnis.“
Daran glaubte sie eigentlich selbst nicht, obwohl es eine normale
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