Raven (Shadow Force) (German Edition)
schnellstmöglich, sonst würde sie wahrscheinlich auf ähnlich mysteriöse Art und Weise verschwinden wie ihr Bruder. In den letzten Wochen und Monaten schien sich alles gegen sie verschworen zu haben. Frank war wie vom Erdboden verschluckt, vielleicht sogar tot, sie hatte gerade so einen Terroranschlag überlebt, ihre Karriere wahrscheinlich ruiniert, ein Kuss war kein Kuss mehr, sondern ein strategisches Überlebensmittel und irgendwelche finsteren Typen waren hinter ihr her. Na bravo.
„Komm!“
Bevor sie im Selbstmitleid versinken konnte, hatte Raven sie wieder gepackt und zerquetschte ihr dabei fast die Hand. Er schien es zu merken und verringerte den Druck, dann schob er sie so lautlos wie möglich ins seitlich gelegene Treppenhaus, das sie nun Hand in Hand hinunterliefen. Die eilige Flucht lenkte Lianne wenigstens von ihren vielen Gedanken und der Scham ab, die ganz sicher blühendrot auf ihren erhitzten Wangen brannte. Sie hatte sich an ihn geklammert wie ein frisch verliebter Teenager, der zum ersten Mal geküsst wurde. Schlimmer noch, wie jemand , der nicht lange fackelt und sich jedem Kerl an den Hals warf. Was er nun von ihr denken musste, war ziemlich deutlich. Dabei war sie ganz und gar nicht der leichtlebige Typ, der einfach zu haben war. Kürzlich hatte sie noch eine Kollegin aufgezogen, sie würde als alte Jungfer sterben, wenn sie nicht endlich wieder ein Date vereinbarte. So wie es heute aussah, würde es mit dem Ableben eventuell schneller gehen. Auch wenn sie keine Jungfrau mehr war. Das hatte Allan Brody vor einigen Jahren erledigt. Eine unliebsame Erinnerung, die sie schnell in ihr Unterbewusstsein verbannt hatte. Wahrscheinlich gab es guten Sex sowieso nur auf der Kinoleinwand oder in erotischen Büchern. Vielleicht war sie auch nicht geeignet für diese Dinge. Oder frigide? Sie verscheuchte diese unliebsamen Gedanken. Jetzt war ganz sicher nicht der rechte Zeitpunkt, sich über ihre eingeschlafene Sexualität Gedanken zu machen. Die Treppen schienen kein Ende zu nehmen und sie hörte aus der oberen Etage aufgeregte Stimmen.
„Sie sind hier, im Treppenhaus des Notausgangs“, rief eine Männerstimme aufgeregt.
Ihre Muskeln verkrampften sich augenblicklich und sie stolperte über ihre eigenen Beine.
„Pass auf!“
„Mache ich doch“, schnappte sie außer Atem.
Raven fluchte leise und Lianne blickte nach oben. Tatsächlich wurden sie von zwei Personen verfolgt. Der dritte Kerl hatte vielleicht den Fahrstuhl genommen, um ihnen den Weg abzuschneiden, aber das war nur eine Vermutung. Angst schnürte Lianne die Kehle zu. Ein dumpfes Geräusch ertönte und beinahe zeitgleich wirbelten Steinchen und Staub aus der Wand hinter ihnen. Man schoss auf sie. Das durfte doch alles nicht wahr sein!
Noch einmal, sie warf sich zur Seite. Mit Mühe konnte sie einen Schrei unterdrücken. In welch seltsame Geschichte war sie bloß geraten? Wer waren die Männer und warum wollten sie sie töten? In Panik wollte sie sich losreißen, doch Raven hielt ihre Hand fest umschlungen. Erneut hallten gedämpfte Schüsse.
„Sie nutzen Schalldämpfer“, informierte er sie so ruhig, als wäre er auf einem Sonntagsspaziergang mit der Familie.
Er lief jetzt hinter ihr und schirmte ihren Körper mit dem seinen ab. Und da war es wieder, dieses Licht, wie eine zart schillernde Aura, die ihn umgab. Die Energie war enorm und konnte tatsächlich die Kugeln ihrer Verfolger ablenken. Wahnsinn. Genauso wie in der City Hall. Die Luft knisterte, als sei sie elektrostatisch aufgeladen.
„Bleib dicht bei mir, wenn du überleben willst!“
Natürlich wollte sie überleben. Sie reagierte wie ein Roboter und duckte sich instinktiv, als der nächste Schuss fiel. Ihre Hände waren schweißnass und beinahe hätten ihre Knie nachgegeben. Raven stützte sie sofort, schob sie durch eine Glastür und es ging durch einen weiteren Gang. Mehrere Personen starrten sie an, Lianne stolperte erneut und verlor beinahe ihre Pantoffeln, doch Raven fing sie auf. Glas splitterte hinter ihnen und die Scherben stoben wild in alle Richtungen. Die Verfolger nahten schnell und wollten töten. Raven nahm Lianne nun auf seine Arme und trug sie in atemberaubender Geschwindigkeit bis zu einem weißen Lieferwagen, vor dem ein bulliger und dickbäuchiger Mann im Kittel stand und mit Kisten hantierte. Wahrscheinlich war er ein Zulieferer des Krankenhauses. Entgeistert starrte er sie an, als Raven wortlos die Beifahrertür öffnete und Lianne in den
Weitere Kostenlose Bücher