Raven (Shadow Force) (German Edition)
neben einem Imbiss auf der gegenüberliegenden Straßenseite in Müllsäcken stocherte. Ein kleiner, struppiger Hund wich ihm nicht von der Seite.
Wie lange waren sie schon unterwegs? Vielleicht zwei Stunden? Die Wärme im Wagen hatte sie lethargisch und müde werden lassen. Als Raven vom Zahlen zurückkam, hielt er ihr eine Cola und ein belegtes Baguette entgegen, doch sie verspürte keinen Hunger. Sie schüttelte nur mit dem Kopf und blickte wieder zu dem einsamen, alten Mann und seinem Hund. Das Herz wurde ihr bei diesem Anblick schwer und wollte zerspringen. Noch bevor Raven losfahren konnte, hatte sie ihm Cola und Baguette aus der Hand genommen, die Wagentür geöffnet und rannte zu dem ungleichen Duo, um ihnen eine kleine Mahlzeit zu sichern. Dann kramte sie in ihrer Handtasche und entnahm ihrem Portemonnaie zehn Pfund, die sie dem Alten mit einem kleinen Lächeln in die Hand drückte. Mehr konnte sie im Moment leider nicht tun. Sie lief zurück und stieg wieder in den T o uareg ein. Raven sagte kein Wort, doch sie spürte seinen Blick wie eine intensive Berührung.
„Was ist?“
„Du weißt schon, dass er mit dem Geld in den nächsten Pub laufen wird.“
„Warum bist du so brummig?“
„Weil das gerade großer Blödsinn war.“
„Was ich mit meinem Geld mache, geht dich nichts an. Du bist nicht mein Bruder.“
Ravens Miene verzog sich.
„Nein, das bin ich nicht.“ Sie waren beide gereizt und mit den Nerven am Ende.
„Er tat mir leid“, beeilte sie sich zu sagen und legte ihre Hand beschwichtigend auf seinen Arm. „Ich will mich nicht streiten.“
„Wenn ich mich streite, sieht das anders aus“, grollte er weniger grimmig als zuvor , und sie musste lächeln.
„Das denke ich mir.“
„Du kannst nicht die ganze Welt retten, Lianne.“
„Vielleicht nicht, aber etwas besser machen und helfen. Jeder Mensch kann uneigennützig handeln, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Man muss sich nicht ständig fragen, was man selbst davon hat. Du machst es gerade genauso mit mir. Du hilfst mir und setzt dein Leben aufs Spiel.“
Er grübelte einen Moment lang. „Du bist eine seltsame Frau.“
„Warum bist du dann Soldat geworden? Sogar zum Agenten einer Special Forces Einheit?“
„Das kannst du nicht vergleichen.“
„Doch. Ein Mensch geht diesen Weg, weil er seinen Teil dazu beitragen will, die Welt besser und sicherer zu machen. Weil er für einen guten Zweck kämpft und dafür sogar sein Leben riskiert. Das ist der Stoff, aus dem Helden geschnitzt sind.“
„Ich bin kein Held. Die liegen auf den Friedhöfen oder verrotten im Sand der Wüste, weil sie die Welt retten wollten.“
„Was hat dich so zynisch werden lassen?“ Er trug irgendetwas in seiner Seele, das sich ihr nicht erschließen wollte. Vielleicht hatte ihn der ständige Kampf ums Überleben so hart und ungnädig mit sich selbst werden lassen. Oder die Folter, wenngleich sie nicht glaubte, dass er an ihr gebrochen war. Sie begriff allerdings auch, dass sie viel zu wenig über ihren Bruder, seine Arbeit und seine Beweggründe wusste. Wie oft hatte er gelitten, hatte gezweifelt und war für sie stark gewesen?
Er schenkte ihr einen langen, fast hoffnungslosen Blick, dann fuhr er weiter und aß das Hühner-Sandwich, das er sich gekauft hatte.
„Woher wusstest du, dass ein Anschlag auf die City Hall verübt werden sollte?“ Es gab noch viele Dinge, die sie wissen und über ihn erfahren wollte.
„Ich wusste nichts Genaues, aber als ich während der Gefangenschaft das zweite Mal auf Frank traf , raunte er mir zu, dass er eine Vision von dir und der City Hall gehabt habe. Flammen, Trümmer, Polizei- und Feuerwehr sirenen. Dass du in Gefahr seist und ich dich beobachten solle, wenn mir vor ihm die Flucht gelingen sollte. Mehr konnte er nicht sagen, wir wurden sofort wieder getrennt.“
„Aha.“ Also hatte sie ihr Leben Franks paranormalen Fähigkeiten, Raven und sehr viel Glück zu verdanken. „Wie hast du von meinem Termin mit Hague erfahren?“
„Eure Sekretärin beim Guardian war in Plauderlaune.“ Ravens vollendet modelliertes Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. „Ich habe etwas mit ihr am Telefon geflirtet.“
„Du und flirten?“, zog Lianne ihn auf. „Unmöglich.“
„Manchmal kann sogar ich charmant sein und mich von meiner besten Seite zeigen. Für die Königin und das Vaterland.“ Ein schelmisches Funkeln war in seine Augen getreten. Unwillkürlich musste sie laut lachen.
„Das klingt nach 007
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