Raven (Shadow Force) (German Edition)
war. Wie begossene Pudel standen sie nun da, um Atem ringend, ungläubig und mit hängenden Schultern. Aber sie empfand kein Mitleid mit ihnen. Sie empfand in diesem Moment nichts annähernd Liebevolles. Alles hatten sie kaputt gemacht.
„Seife liegt in der Dusche“ , rief sie Frank und Raven zu und schenkte ihnen einen bösen Blick. Dann drehte sie sich so hoheitsvoll wie möglich um und wandte sich an Buzz.
„Kannst du mich zum nächsten Bahnhof bringen?“
Erstaunlich, dass ihre Stimme klar und fest war. Nach außen hin würde sie vielleicht sogar ruhig und gefasst wirken, doch ihr Innerstes befand sich in Chaos und Auflösung. Sie fühlte sich allein und zerrissen.
„Aber wohin willst du?“
„Einfach weg von hier.“ Lianne würdigte weder ihren Bruder noch Raven eines weiteren Blickes. „Ich habe Freunde, bei denen ich bleiben kann.“
„Okay.“ Buzz nickte sorgenvoll. „Auch wenn ich das nicht gut finde.“
„Mach dir keine Sorgen. Ich komme zurecht.“ Lianne gab sich beton t zuversichtlich. Sie verbarg ihr Innerstes und ihren Schmerz.
„Wie du meinst. Ich fahre dich, wohin du willst, Liebes.“ Wenigstens sie schien zu verstehen, dass Lianne nicht bleiben konnte.
„Ich danke dir.“ Lianne drückte ihre Hand.
„Vielleicht ist das im Moment besser. Die größte Gefahr scheint sowieso gebannt zu sein. Das wollten wir euch eigentlich sagen.“
„Erzähle es mir auf dem Weg. Ich will keine Minute länger hier bleiben.“ Lianne drehte sich um und ging mechanisch und steif wie ein Roboter zum Haus.
Sie würde ihre Sachen packen und verschwinden. Hier hielt sie nichts mehr. Der Zauber, der sie zuvor gefangen gehalten hatte, war vergangen. Sie liebte Frank und Raven, doch sie konnte nicht hier bleiben. Ihr Leben war mächtig aus den Fugen geraten und sie war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Dann würde sie heulen wie ein Schlosshund und niemandem war damit geholfen. Am wenigsten ihr selbst. Die beiden Dickköpfe musste n zuerst allein klarkommen. Raven rief ihr irgendetwas hinterher, aber sie verstand ihn nicht. Und das war auch gut so. Sie wollte gar nichts hören. Nicht mit ihm reden. Nur weg von hier. Ihre Entscheidung war unumstößlich, egal was Frank oder Raven sagen würden. Jetzt musste sie einmal an sich denken. Sich schützen und den Kopf freibekommen. Wenn Frank und Raven sich wie wilde Neandertaler aufführen wollten, bitte schön. Nicht mit ihr!
„Das habt ihr nun davon. Schöne Freunde seid ihr.“ Sie hörte Buzz ‘ laute Stimme mit den Männern schimpfen. „Ihr habt euch unmöglich benommen.“
Sollte sie sich Frank und Raven ruhig zur Brust nehmen und ihnen gehörig den Kopf waschen. Das hatten sie verdient. Die Wut hielt glücklicherweise ihre Tränen zurück, die aus ihrem Inneren hervorquellen wollten. Viel später würde sie weinen. Aber nicht jetzt. Die Männer, die ihr so viel bedeuteten, hatten ihre Tränen nicht verdient. Vielleicht würden sie wieder zur Besinnung kommen und miteinander reden wie vernünftige Menschen, wenn Lianne abgereist war. Und wenn nicht, dann war es ihre eigene Entscheidung. Alt genug waren die z wei schließlich. Zwei engstirnige, streitlustige und sture Platzhirsche waren schlichtweg zwei zu viel für Liannes Nerven. Sie brauchte unbedingt Ruhe und musste nachdenken.
*
Raven blickte Lianne und Buzz mit starrer Miene nach, bis ihr Wagen hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden war. Er hatte bis zuletzt gehofft, dass sie ihre Meinung ändern und bleiben würde. Jetzt war sie fort und er fühlte sich innerlich leer und verlassen. Daran war er selbst schuld. Er und Frank. Sie hatten sich benommen wie dumme Teenager und den Frauen eine abstoßende Show geliefert. Sein ganzer Körper schmerzte und Frank schien es ebenso zu gehen. Auch das hatte er verdient. Frank kauerte neben ihm, durchnässt bis auf die Knochen und stumm wie ein toter Fisch. Raven hatte nicht übel Lust, Frank mit Vorwürfen zu überschütten, aber was hätte das geändert? Er hatte sich genauso falsch verhalten und Lianne war sowieso gegangen. Vertrieben von ihrem Bruder und dem Mann, dem sie ihre Zuneigung geschenkt hatte. Heilige Hölle. Sie hatten es mächtig verbockt, daran gab es kein Rütteln. Sie hatten sich gestritten und geschlagen wie junge Hunde, die sich um einen Knochen balgten. Raven ging zurück zur Hütte, um sich zu duschen und umzuziehen. Vielleicht würde er dann klarer sehen und runterkommen. Pures Adrenalin pumpte mächtig durch
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