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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Lara war unmerklich einen halben Schritt hinter Tom gerückt. Alte, boshafte Augen musterten sie.
    Kommen wir zum Geschäft , verkündete die Leinwand schließlich.
    Eine runzelige, von Altersflecken übersäte Hand wurde auffordernd vor Toms Gesicht gehalten. Dieser zog einen Schlüssel, der schlank und aus einem matten Metall gefertigt war, an einem feinen Kettchen aus seiner Tasche und legte ihn – unter Laras angewiderten Blicken – in die Hand.
    Nicolaes hielt den Schlüssel an dem Kettchen dicht vor sein Gesicht und betrachtete ihn eine Weile voll nachdenklichem Interesse.
    Wirklich ein Jammer, dass du Schlüsselmacher geworden bist, Tom. Die Welt hätte dir gehören können.
    Â»Das Stückchen, das ich von ihr will, gehört mir bereits«, antwortete Tom. »Ein Jammer ist nur, dass es immer wieder Leute gibt, die das nicht verstehen. Doch das ist nicht mein Problem.«
    Der Greis rümpfte die Nase, schnaubte verächtlich. Dann hielt er Tom ein in dreckiges Papier gewickeltes Päckchen hin. Tom nahm es ohne Zögern, deutete eine Verbeugung an, drehte sich um und ging, mit Lara im Schlepptau.
    Â»Gutes Gelingen«, raunte er Nicolaes zum Abschied zu.
    Die Leinwand schrieb noch eine Zeile.
    Weder Tom noch Lara beachteten sie.
    Sie verschwanden einfach aus dem Turm.

    Draußen atmete Lara auf. Staub hatte sich auf ihre Stirn gelegt. Festgeklebt von Schweiß.
    Â»Wer war das denn?«, fragte sie verstört.
    Â»Nicolaes.«
    Â»Ja, ich weiß.«
    Lara wusste, dass sie diese furchtbar ernüchternde Art von Tom irgendwann zur Weißglut treiben würde.
    Â»Aber wer – zum Donnerwetter nochmal – ist Nicolaes?! Warum ist er so unheimlich? Und wieso spricht er nicht, sondern besitzt diese unheimliche Staffelei?«
    Â»Das sind schon wieder ziemlich viele Fragen«, bemerkte Tom.
    Lara funkelte ihn an.
    Â»Die hättest du an meiner Stelle auch.«
    Tom legte den Kopf schief. Überlegte eine Sekunde.
    Schließlich sagte er: »Stimmt.«
    Er überlegte eine weitere Sekunde.
    Â»Weißt du«, meinte er schließlich, »ich bin manchmal nicht sehr geschickt im Umgang mit Menschen. Lass uns einen Kakao trinken gehen. Das ist vielleicht das einzig Gute in dieser verdammten Stadt. Dann beantworte ich dir ein paar von deinen Fragen.«
    Lara war verblüfft. Hatte sie der griesgrämige, blasse Mann mit den rabenschwarzen Haaren gerade zum Kakao eingeladen? Und ihr angeboten, mit ihr zu reden ? Freiwillig?
    Â»Also gut«, willigte sie ein, und Tom wies mit einer Hand quer über den Platz in Richtung eines Cafés mit großen Fenstern. Viel zu großen Fenstern für so ein schmales, altes Haus.
    Â»Tom, mein Guter«, schnitt eine Männerstimme durch die Luft wie ein scharfes Messer durch ein Blatt Papier. Eine Hand klopfte Tom freundschaftlich auf die Schulter.
    Hinter ihnen war ein Mann in Toms Alter aufgetaucht. Er trug seine langen, braunen Haare offen, und sie hingen auf einen Ledermantel herab, der nur aus Flicken zu bestehen schien. Aus den Ärmeln ragten Hände in Handschuhen, denen die Fingerkuppen fehlten.
    Tom schien indes alles andere als hocherfreut zu sein, seinem Gegenüber zu begegnen.
    Â»Was willst du?«, zischte er.
    Â»Hey, nicht unfreundlich werden, ja?«
    Der Flickenmantelmann hob abwehrend die Hände.
    Â»Ich wollte nur zwei Dinge wissen«, sagte er schließlich, während er Tom und Lara umtänzelte.
    Toms Augen waren kühl. Es sah nicht so aus, als ob er den anderen hassen würde. Aber das, was seine Augen ausstrahlten, hatte etwa soviel mit Sympathie zu tun wie helle Mittagssonne mit einer tiefen Neumondnacht.
    Â»Lässt du uns in Ruhe, wenn ich dir sage, was du wissen willst?«, fragte Tom.
    Â»Möglich wär’s«, entgegnete der Mann mit dem Flickenmantel.
    Â»Also schieß los, die Zeit wird knapp!«
    Â»Ich dachte, ihr wolltet noch einen Kakao trinken gehen?«, fragte der Mann in gespieltem Erstaunen. »So viel Zeit scheint ihr also doch zu haben.«
    Tom wirkte genervt. Entsetzlich genervt.
    Â»Stell deine Fragen, Marcion. Jetzt. Oder lass uns in Ruhe!«
    Â»Okay, Okay.«
    Wieder die abwehrende Handbewegung.
    Â»Also«, unterbrach der Langhaarige seinen Tänzelschritt. »Ich habe mich zuerst gefragt, was du wohl bei dem alten Nicolaes zu suchen hattest. Und zum anderen dachte ich, ich frage dich, wer die

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