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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Alchemisten jemals zusammengepanscht haben. Gefährliche Kristalle, soweit das Auge reicht. Und last but not least ein Gedicht, das ein Schlund ist.
    Blickt euch um, voller Ehrfurcht!«
    Und dann setzte er einen Moment aus und hielt die Spannung.
    Â»Denn jetzt mache ich alles zunichte.«
    Und mit diesen Worten schleuderte er eine faustgroße Kristallkugel in die Standuhr. Es krachte, es blitzte. Weitere Lichtgeister schwirrten um die Uhr und fraßen sich durch Zahnräder, durch Achsen und Speichen. Funken sprühten, und das Ticken der Uhr wurde langsamer und langsamer, bis es zuletzt erstarb.
    Das Blitzen der Lichtgeister flackerte ein letztes Mal, dann fiel die große Uhr in sich zusammen. Einfach so.
    Henry McLane stöhnte.
    Lara spürte eine Traurigkeit, die von ihrem Talent für alles Mechanische herrühren musste.
    Gleichzeitig entspannte sich die Zeit im Raum wieder, und das seltsame Ziehen an den Seelen aller Anwesenden ließ nach.
    Der Araber oder Armenier oder was auch immer er war, lachte. Schallend und boshaft.
    Â»Ich, Meister Ma’Haraz, habe gewonnen«, grölte er und nahm eine weitere Kristallkugel aus seiner Tasche. Diese hatte die Größe eines Handballs, und er warf sie so, dass sie hinter dem Geländer vor dem Bild landete.
    Augenblicklich zuckten aus all den Kristallen, die auf der Absperrung montiert waren, grelle Blitze in Richtung der Kugel. Pure Energie strömte auf sie ein, und ein ohrenbetäubender Krach erhob sich. Ma’Haraz lachte und lachte. Der Teppich rings um die Kugel begann zu schmoren, und ein verbrannter Geruch mischte sich mit dem Duft der seltsamen Öle der Alchemisten in der Luft. Lee und Francesco hielten sich verzweifelt die Ohren zu, während Ma’Haraz lachte und lachte und lachte.
    Dann war es still.
    Vereinzelte Blitze, wie verirrte Ladungen, umzuckten die Kugel, die vor dem Bildnis von Roland Winter lag. Der Teppich ringsherum war mittlerweile schwarz und verbrannt.
    Â»Das war’s«, stellte Meister Ma’Haraz fest und drehte sich nun langsam zu Lara um.
    Â»Und nun zu dir.«

    Die Welt war so ein Verräter!
    Meister Ma’Haraz zog Lara grob am Arm, doch sie riss sich los, und Ma’Haraz packte erneut zu, nur um von Lee auf den Fuß getreten zu bekommen. Doch dafür wurde er von der ausladenden Hand des alten Seemanns prompt gegen die nächste Wand geschleudert.
    Ma’Haraz’ griff sich endgültig Laras Arm und zog sie von den anderen fort, diesmal gab es keine Chance zur Gegenwehr.
    Â»Sie wollen, dass ich das Gedicht lese, oder?«, fragte sie wütend.
    Â»Gut kombiniert«, antwortete Ma’Haraz mit unüberhörbarer Gereiztheit. Lara kostete ihn offensichtlich einige Geduld.
    Er stieß sie vorwärts auf die Absperrung zu. In der Mitte des Bereiches, den sie umspannte, stanken die große Kristallkugel und der versengte Teppich vor sich hin, ganz zu schweigen von dem grässlichen Bild, von dem Roland Winter hasserfüllt und zugleich auch flehend auf sie herabstarrte.
    Vor dem Gemälde war ein Sockel auf gleicher Höhe wie die Absperrung angebracht. Eine kleine Säule, auf deren Oberseite ein Messingschild mit einigen eingravierten Zeilen befestigt war.
    Das Gedicht.
    Laras Gedanken rasten.
    Würde sie nun dieses Gedicht lesen, würde etwas wirklich, wirklich Grausames geschehen, dessen war sie sich sicher. Auf der anderen Seite wollte sie sich nicht ausmalen, zu was Ma’Haraz und die anderen finsteren Männer noch in der Lage sein mochten, wenn sie es nicht tat.
    Doch es gab vielleicht eine letzte Chance.
    Ma’Haraz stieß sie unsanft vor den Sockel.
    Â»Lies!«
    Lara drehte sich um, sah Ma’Haraz fest in die Augen.
    Â»Ich bin Ihre einzige Chance«, sagte sie entschlossen. »Ich bin die Einzige, die dieses Gedicht lesen könnte. Aber ich werde es nicht tun.«
    Ihr Gegenüber zog überrascht eine Augenbraue nach oben.
    Â»Doch noch so viel Courage?«, fragte er zweifelnd.
    Â»Nachdem du verfluchtes Gör vorhin noch gewimmert hast wie ein ertrinkendes Katzenjunges?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Lara bewegte sich nicht einen Zentimeter.
    Ma’Haraz seufzte.
    Â»Da ist wohl Überzeugungsarbeit vonnöten, oder? Valerius!«
    Lara begriff, was sie angerichtet hatte, doch um sich selbst zu verfluchen, blieb keine Zeit. Sie hob noch die Hände, um … um was eigentlich?
    Valerius’ Hand mit dem

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