Ravinia
gesäumt waren.
An den wenigen Stellen, an denen es keine Bücher gab, befanden sich dicke Wandteppiche, die â ungeachtet ihrer Herkunft â nicht eine einzige Lücke offen lieÃen, sondern mit ihren Enden zwischen Regallücken gestopft und geknautscht waren. Auf die Frage nach dem Warum, meinte Tom, dass es im Winter zwar nicht richtig eiskalt werde in Ravinia, aber immerhin so kalt, dass man sich ein besser funktionierendes Heizsystem wünsche. Man konnte sagen, dass Ravinia, was die Infrastruktur betraf, wenig technologisiert war â eigentlich ein Wunder bei dem geballten Erfindungsreichtum seiner Einwohner. FlieÃendes Wasser gab es dank eines ausgeklügelten Systems von Wasserrädern an der Stadtmauer zwar überall, aber bei dessen Erhitzung wurde es schon schwieriger. Tom versicherte ihr allerdings, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauche. Die Burg war verhältnismäÃig gut mit Strom versorgt, den Tom hauptsächlich dazu benutzte, das Wasser zum Duschen zu erwärmen.
»Wenn das Stromnetz allerdings mal wieder spinnt, kann man Wasser vorkochen und in den Warmwasserbehälter über der Dusche füllen«, erklärte er und wies auf einen seiner groÃen Kamine, in dem ein Wasserkessel an einem Gestänge hing. Lara nickte nur â völlig fasziniert. Um hier wohnen zu dürfen, würde sie es sicherlich ertragen können, das ein oder andere Mal nicht ganz so warm duschen zu können, wie sie es aus der Stadt der Treppen gewohnt war; zumal dort zwar nicht das Stromnetz schwankte, aber die Zuverlässigkeit und die Qualität ihres Wasserboilers, sodass es auch dort mit der Wassertemperatur manches Mal so eine Sache war. Doch der Heizungsinstallateur, der die McLanes von Zeit zu Zeit auf einen Anruf hin aufsuchen musste, wäre ja auch dumm, den Boiler tatsächlich einmal richtig zu reparieren, da war sich Lara sicher. Ihm würde quasi ein lebenslanger Dauerauftrag durch die Lappen gehen.
SchlieÃlich führte Tom sie eine weitere kleine Treppe hoch, die zu einem einzelnen Zimmer führte. Es war nicht besonders groÃ, aber auf jeden Fall schon sehr viel gröÃer als ihr Zimmer in Edinburgh. Ja, sie hatte richtig vermutet, hier würde sie wohnen.
»Das ist dein Zimmer«, stellte Tom vor.
»Hallo Zimmer«, sagte Lara nur. Tom verdrehte die Augen.
Hier sah es genauso aus wie im Rest der Wohnung: Bücher über Bücher über Bücher. Es gab ein gröÃeres Fenster zum Hof hin und einen alten Eichenschreibtisch sowie einen weiteren groÃen Kamin.
»Tja«, meinte Tom. »Ein Bett steht hier noch nicht. Das müsste erst gebaut werden. Ich fürchte, du musst mit einer Luftmatratze vorliebnehmen. Ich habe noch ein paar Schaffelle, damit du es wärmer hast. Bettzeug und Bezüge finde ich wohl auch.«
Verrückt. Das war völlig verrückt. Es war wie in den Büchern, die sie in früheren Jahren â vielleicht mit acht oder zehn â verschlungen hatte. Jene Bücher, wo Kinder und Jugendliche auf Ferienfreizeiten in alte Burgen fuhren oder diese als Internat besuchten und dort die wahnwitzigsten Abenteuer erlebten. So fühlte es sich zumindest an. Auch wenn Lara natürlich wusste, dass es sich hier um alles andere als einen Abenteuerurlaub handelte.
Tom zeigte ihr noch die alten, drehbaren Lichtschalter, das Badezimmer, die Küche und wo sie ihn im Notfall finden konnte â dabei zeigte er ihr lediglich den Eingang zu seinem eigenen Reich, aber nicht, was hinter der Tür lag.
Nach diesem etwas radikalen Umzug von einer Dachgeschosswohnung in Edinburgh auf eine Burg in einer phantastischen Stadt drängte Tom allerdings auch schon zum Aufbruch, und Lara wusste, dass er recht hatte. Sie mussten zu den Alchemisten, in einen neuen Winkel dieser Stadt voll neuer, geheimnisvoller Ecken.
10. Kapitel, in dem sich für Lara ein geheimnisvoller Garten auftut.
Befreie aus ihrem dämmrigen Schweigen
Die träumenden Tänzer des Feenreigens
Koste die Frucht des verbotenen Gartens
Lohn der Dekaden enthaltsamen Wartens
 Oliver Plaschka
Wie befreiend muss es doch sein, wenn man am Ende alt und satt an Jahren ist, wie es so schön heiÃt. Dann, wenn man nur noch die Schönheit der Momente einzuatmen braucht und alle lästigen Gedanken eines Lebens, die man vor sich hergeschoben hat, vom Weg purzeln wie vom Fahrtwind fortgewehtes Laub im
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