Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Titel: Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin
Vom Netzwerk:
Trinkwasser.
    Ungläubig blicke ich zu ihr auf. »Wer hat das
veranlasst?«
    »Hören Sie, Sie können keine Sonderbehandlung erwarten,
nur weil sie Pa:ris’ Verlobte sind. Wir haben nicht mehr«, schnauzt sie mich
an.
    »Ähm«, stottere ich verdutzt. »Ich wollte nur
Danke sagen.«
    Sie zeigt mit dem Finger unter die Pritsche. »Da
steht ein Eimer, falls Sie heute Nacht pinkeln müssen . «
    Nachdenklich blicke ich ihr hinterher. Langsam,
ganz langsam dämmert mir, was es bedeutet, dass ich echtes Brot essen darf. Ich
greife nach einer Doppelstulle und beiße hinein. Pilzpastete und getrocknete
Tomaten. Himmlisch! Die Kruste ist hart. Ich werde lange etwas zum Kauen haben.
    Erneut geht die Tür auf. Die Gill-Offizierin
betritt den Raum. Ich schlucke den halbgekauten Bissen herunter, bin
erschrocken. Hoffentlich darf ich zu Ende essen.
    Sie schüttelt den Kopf. »Meinetwegen müssen Sie
nicht schlingen.«
    »Danke, das ist sehr freundlich von Ihnen.«
    Sie hält mir die ausgestreckte Hand hin. »Hier!«
    Ich lege das Brot auf den Teller zurück und öffne
meine Hand. Zwei Tabletten kullern hinein.
    »Noch mal dasselbe!«, sagt sie.
    Vor Dankbarkeit steigen mir Tränen in die Augen.
    »Ich will ehrlich zu Ihnen sein«, sagt sie mit
emotionslosem Tonfall. »Pa:ris hat für die doppelte Portion gezahlt. Ich sage
Ihnen das nur, falls er Sie eines Tages danach fragt. Ich hoffe, Sie haben
Verständnis dafür, dass ich die Hälfte für mich einbehalte. Antibiotika und
Schmerzmittel sind bei uns begehrt.«
    »Es ist in Ordnung«, sage ich tonlos. Dann rinnen
mir doch die Tränen über die Wangen. »Danke, dass Sie so gut zu mir sind.«
    »Ich mache dann das Licht aus. Wir müssen Strom
sparen und wollen keine Mutare anlocken.« Sie zögert. »Manchmal habe ich das
Gefühl, die Biester können das Licht riechen.«
    »Ich finde mein Essen im Dunkeln.«
    »Gute Nacht!«, murmelt sie.
    »Schlafen Sie gut!«
    Das Licht geht aus.
    »Verraten Sie mir noch ihren Namen?«, rufe ich
hastig, bevor sie die Tür schließt.
    »Kim.«
    »Offizier Kim, Sie sind eine von den Guten. Danke
für alles.« Ich weiß nicht, warum ich das sage. Weil es dunkel im Raum ist, und
weil ich sonst an meiner Einsamkeit ersticke? Oder weil ich das Gefühl habe,
dass hier unten jeder auf seine eigene Art einsam ist?
    Die Tür fällt leise ins Schloss. Ich lege die
Tabletten auf die Zunge, taste nach dem Wasserglas und trinke einen großen
Schluck. Dann zähle ich die Minuten, bis das schmerzhafte Pochen auf meinem
Rücken nachlässt. Allmählich wird die brennende Haut dumpf und taub.
    Das Gefühl, auf einer Wattewolke zu sitzen,
breitet sich in Wellen über meine schweren Glieder aus. Ich schnuppere am Brot,
sauge den Duft der getrockneten Tomaten in mich auf. Himmlisch! Dann beiße ich
ab und kaue ganz langsam. Ich versuche den aromatisch-süßlichen Geschmack in
jeden Winkel meines Mundes zu pressen, spüre, wie das säuerliche Aroma meine
Geschmacksknospen kitzelt und mir der Speichel im Mund zusammenläuft. Ich
konzentriere mich ganz darauf. Denn im hintersten Winkel meines nie schlafenden,
rebellischen Ichs schreit mich eine zänkische Stimme an: Deine Eltern glaubten, Privilegien durch dich zu haben. Lüge, alles
Lüge. Ihr habt auf Kitt gekaut und ranzige Nüsse gegessen. Wenn Cesare euch zu
gesellschaftlichem Aufstieg hätte verhelfen wollen, dann hätte er euch zuerst
etwas zum Beißen gegeben.
    Das stimmt
nicht ganz, widerspreche ich meinem rebellischen Geist. Wenn ich bei Pa:ris war, gab es für mich immer
gut zu essen. Ich war stets ihr Gast bei Tisch.
    Ich schlucke und spüre Schamesröte auf meinen
Wangen. Wie konnte ich nur so oberflächlich sein, mir nie Gedanken darüber zu
machen, was meine Eltern wohl essen? Kinder sind eben so, tröste ich mich. Sie
nehmen alles hin, wie es ist. Das ist ihr Privileg.
    Sachte stelle ich das Tablett auf den Boden, taste
nach dem Brot, nehme es in die Hand und lege mich auf die Seite.
    Hinter dem vernagelten Kellerfenster höre ich das
Schnauben eines Mutars. Er kratzt an der Mauer, direkt neben meinem Kopf. Ob er
mein Brot riechen kann?
    »Verdammtes Biest«, zische ich. »Zieh endlich
weiter!«

 
    ***
    Die Sonne glüht am Himmel. Mein Rücken brennt.
Die belebte Innenstadt mit den wenigen erhaltenen historischen Gebäuden, den
zugemauerten Türmen, zwischen denen sich Licht und Schatten abwechseln, und dem
Marktplatz mit den hellen Pflastersteinen, das alles haben meine Begleiter und
ich längst

Weitere Kostenlose Bücher