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Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Titel: Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin
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landet
lautlos und elegant wie eine Katze. »Hi, ich bin Alice«, flüstert sie und
streckt mir ihre Hand entgegen.
    »Ruhe!«, schnauzt das Mädchen, das den Platz unter
ihr hat. Sie zieht sich eine Decke über den Kopf und kehrt uns den Rücken zu.
Ein blonder Zopf lugt unter der Decke hervor.
    Ich klemme den Wäschestapel mit Hilfe des Kinns
und des linken Arms fest an meinen Körper, lasse mit der rechten Hand los und
ergreife ihre Hand. »Freut mich, Alice«, sage ich. Und ich meine das auch so,
denn sie scheint wirklich nett zu sein. »Ich heiße Soraya.«
    Sie beugt sich vor und flüstert mir ins Ohr. »Die
dicke Pennsuse, das ist Becky Blon. Blondchen ist ganz okay, wenn sie
ausgeschlafen hat.«
    Alice greift nach meinem Kleid und hängt es auf
einen Bügel. Ich schiebe den Rest ins Spindfach. Als ich die Tür zudrücken
will, gibt es ein langgezogenes Quietschen. Alice greift nach der Tür, hebt sie
ein Stück an und drückt sie lautlos zu.
    »Danke!«, flüstere ich.
    »Hey«, ruft das Mädchen unter meinem Schlafplatz
und hangelt mit einer Hand nach meinem Bein. Sie zieht mich zu sich ran. Ich
bücke mich, aber Alice schiebt mich auf die Bettkante und setzt sich daneben. »Und
das ist Kiki. Sie ist zwar klein, aber von ihr kannst du hier am meisten
lernen. Vor allem, wie man am besten überlebt. Kiki richtet sich auf und zieht
die Beine an. Sie hat die Haare so kurz geschoren, dass ich ihre Haarfarbe
nicht erkennen kann. Sie ist am gesamten Körper mit Drachen, Tigern und
merkwürdigen Mustern tätowiert. Und sie schläft im Unterhemd.
    »Hascht du schon mal gesessen?«, fragt sie, und
ihre Aussprache klingt so, als hätte sie eine Zigarette zwischen den Zähnen.
    »Ähm, ich verstehe nicht.«
    »Ob du schon mal im Gefängnisch warscht.«
    »Puh, wenn ich ehrlich bin, dem bin ich gerade knapp
entgangen.«
    »Ach, erzähl!« Sie klopft mir auf die Schulter und
ich stoße einen Schmerzensschrei aus, den ich sofort ersticke, indem ich mir
den Mund zuhalte.
    »Ischt nicht wahr«, sagt sie und reißt die Augen
auf. »Zeig mal!«
    Ich zögere, zu sehr schäme ich mich.
    Alice knöpft wortlos mein Hemd auf und Kiki zieht
es von den Schultern. Sie schnalzt mit der Zunge. »Mein lieber Scholli. War det
dein Alter?«
    »Du musst mit ihr normal reden«, flüstert Alice. »Sie
versteht dich sonst nicht.« Alice streichelt mir zart über das Haar. »Wer war
das?«
    Jetzt schäme ich mich noch mehr. »Mein Verlobter«,
hauche ich.
    »Also, den kannscht du ja mal echt in die Tonne
treten. Ischt der bekloppt ey?«
    »Nein, Kiki«, seufze ich. »Das ist sein Vater. Der
hat das angeordnet. Er ist Statthalter im Bezirk Drei.«
    »Hu, der soll mir mal im Dunkeln begegnen.«
    »Hast du Salbe?«, fragt Alice und knetet unruhig mein
Hemd zwischen den Händen. Ich nicke. »In der Hemdtasche.« Sie pult die Tube
heraus und tupft vorsichtig die kühlende Paste über meinen Rücken. Dabei
verzieht sie das Gesicht, als könne sie meinen Schmerz spüren.

 
    Eriksons Schikane

 
    N achdem Becky Blondy eine
halbe Stunde im Bad verbracht und das warme Wasser im Boiler aufgebraucht hat,
bleiben Alice, Kiki und mir knapp fünf Minuten. Die beiden verschwinden
gemeinsam im Waschraum und sind rekordverdächtig schnell wieder draußen.
Trotzdem habe ich weniger als eine Minute. Ich dusche kalt und putze mir währenddessen
die Zähne. Zum Abtrocknen bleibt keine Zeit. Ich knöpfe mir gerade das Hemd zu,
als die Glocke zu läuten beginnt. Frühstückszeit!
    Mit den Stiefeln in der Hand laufe ich den Mädels
hinterher. Am Frühstückstisch ziehe ich die Socken an, kremple die Hosenbeine
hoch und schlüpfe in die Schnürboots.
    Als ich mich aufrichte, liegt ein zerknautschtes
Stück Brot ohne Belag auf meinem Teller. Becky grinst. »Du siehst so aus, als
würdest du bereits zum Frühstück Diät halten.«
    »Diät?« Ich kenne das Wort nicht, sehe aber sehr
wohl meinen leeren Teller und spüre das Loch in meinem Magen.
    Becky fetti, die Worte rollen über meine Zunge bis zur Zahnkante, dann schlucke ich sie unausgesprochen
herunter. Verzeih ihr die kleine Rache
für den entgangenen Schlaf letzte Nacht, bremse ich mich im letzten Moment.
»Schon gut, dann halte ich eben Diät«, sage ich und zucke betont lässig mit den
Schultern.
    Eine Offizierin erscheint an der Tür. »Kommando
Abmarsch!«, brüllt sie. »Keine Müdigkeit vortäuschen. Durchzählen!«
    Wir springen auf, zählen und bilden eine Reihe.
    »Alle geraden Nummern gehen Kisten

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