Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze
Schluss, um Connor nicht zu erzürnen oder Anlass für Spekulationen zu
geben. Er scheint sich nicht zu langweilen. Vielleicht liegt es am Wein, den er
genossen hat.
Einmal zwinkert er mir sogar zu.
Nach der missratenen Aufführung begleitet er mich
bis zum Durchgang zur Standard-Sektion. Zum Abschied bedankt er sich höflich
für den netten Abend.
Ich murmele irgendwas Belangloses und blicke ihm
nach, wie er langsam den Gang zurückrollt. Eine dunkle und einsame Gestalt. Er
dreht sich nicht noch einmal um.
Als ich auf Zehenspitzen das Zimmer betrete, ist
niemand mehr wach. Ich entkleide mich im Dunkeln und schlüpfe lautlos unter die
Bettdecke. Lange liege ich wach und grübele. Egal wie nett Connor manchmal
erscheinen mag, er ist ein Sucher und er hat einen Auftrag.
Mit diesem Gedanken schlafe ich ein und nehme ihn
in einen Traum von einer wilden Verfolgungsjagd mit. Am nächsten Morgen liegt
die Antwort endlich glasklar vor mir; ich kann sie nicht länger verdrängen.
Ich bin sein
Ziel!
Ich.
Und nur ich.
Er soll
herausfinden, wer ich bin und was ich denke. Wenn er alles über mich weiß, dann
wird er den Leuten von der Gesi berichten,
den Schnüfflern auf dem Amt zur
Überprüfung der Gesinnung .
Wie dumm bin ich eigentlich? Ich bin die
Eintrittskarte zu seiner Rückenoperation. Ich bin sein Ticket in ein besseres
Leben. Deshalb ist er manchmal nett und dann wiederum eiskalt wie ein Killer.
Ich überlege. Wer aus der Gruppe der Zöglinge
könnte sonst noch auf Connors Liste stehen? Der Reihe nach gehe ich sie alle
durch: Fred, der Zimtsommersprossige, der sich in der Schule zu oft geprügelt
hat, und deshalb hier ist. Babette, die ihren Abschluss nachholen soll. Kai mit
den guten Kontakten zu einflussreichen Kreisen … an ihm wird Connor sich gewiss
nicht die Finger verbrennen wollen.
So intensiv ich auch grübele, mir fällt niemand
ein.
Also bleibe nur ich.
Sofort gehe ich die Gespräche von gestern Abend
durch. Habe ich irgendetwas Falsches oder Verräterisches gesagt? Vielleicht
hätte ich nicht über das Theaterstück lachen sollen. Das könnte mir auf jeden
Fall ein Minus in meiner Akte einbringen.
Mit klopfendem Herzen springe ich aus dem Bett und bin die Erste unter der
Dusche. Lange bevor der Wecker läutet, tigere ich angezogen im Bad auf und ab.
Oh Kill,
wärest du wenigstens hier bei mir und könntest mich festhalten.
Der Turm
I ch atme tief durch, dann öffne
ich die Tür zum Klassenraum. Connor winkt mich zu sich heran. Zögernd trete ich
an den Tisch, setze mich und versuche unbefangen zu klingen. »Na, gut
geschlafen?«
Er nickt. »Ich hatte einen wunderbaren Traum. Darin
lief ich über eine Wiese und am Himmel sah ich einen Regenbogen. Du warst auch
da. Hast die ganze Zeit gekichert … bis ich lachen musste. Darüber bin ich
aufgewacht.«
Vielleicht ist das ein gutes Omen, denke ich und
zwinge mich zu einem Lächeln. Der Lehrer betritt den Raum. Wir erheben uns von
unseren Stühlen und murmeln im Chor: »Guten Morgen, Herr Lehrer.«
Conner lehnt sich entspannt im Rollstuhl zurück. Offenbar
genießt er das Privileg sitzen bleiben zu dürfen.
Wir müssen uns in Arbeitsgruppen aufteilen und sollen
diskutieren. Es geht um die Frage, woran man gefälschte historische Ereignisse
erkennen kann. Die anderen reden, ich schweige. Ich soll endlich auch etwas
dazu sagen, fordert Connor mich auf, nachdem eine heftige Diskussion über den
Wahrheitsgehalt der Mondlandung entbrannt ist.
»Wir können natürlich darüber streiten, ob
tatsächlich Menschen auf dem Trabanten waren«, beginne ich und unterdrücke ein
Gähnen, »entscheidend ist jedoch der historische Kontext. Was war das für eine
Epoche damals, als das Gerücht entstand? Wie lebten die Menschen? Welche
Motivation hatten sie? Wir befassen uns hier mit einer Zeitspanne, in der zum
Beispiel viel erfunden wurde: Computer, Strom, Impfungen etc. Da lag es nahe,
sich eine Reise zum Mond zu erträumen. Wenn ihr mich fragt, dann kann das
niemals passiert sein. Was wir sehen, sind nur Schatten einer Epoche, es sind
unwirkliche Fragmente aus antikem Filmmaterial.«
»Und wenn doch was daran wahr ist?«, unterbricht
Connor mich.
»Wo ist dann das Wissen darüber hin? Die Details,
Baupläne, Berichte?«
Er zuckt mit den Schultern. »Vernichtet?«
»Und wer sollte so etwas tun?«
»Keine Ahnung.«
»Nee Connor, du spielst auf das Gerücht der großen
Säuberungsaktion an, warum sprichst du es nicht aus?«
Wütend senke
Weitere Kostenlose Bücher