Raylan (German Edition)
sitze in einem Auto«, sagte Raylan, »befinde mich auf dem Weg nach Harlan und bin nach wie vor Jungfrau.«
»Ich bin stolz auf dich«, sagte Art, »dass du so sauber bleibst. Wenn du mit Ms. Conlan fertig bist, komm zurück, ich hab noch was anderes für dich.«
»Ich bin fast fertig«, sagte Raylan, »aber morgen Vormittag würde ich gern vorsichtshalber bei Carol vorbeischauen. Ich glaube, sie führt irgendwas im Schilde. Ich ruf dich danach dann an.« Raylan fügte hinzu: »Ich sitze hier neben Boyd Crowder, der jedes Wort mithört.« Er legte auf, bevor Art anfangen konnte, ihn anzubrüllen. Zu Boyd sagte er: »Wann trefft ihr euch morgen mit Pervis?«
Boyd sagte: »Ach, da fahren wir hin? Du weißt mehr über meine zukünftigen Aufenthaltsorte als ich selbst.«
»Mir geht der Gedanke nicht aus dem Kopf«, sagte Raylan, »dass Carol dem alten Mann eine Ausgleichszahlung angeboten hat, bevor du ihn erschossen hast.«
»Wen jetzt?«, fragte Boyd und sah Raylan an. »Wenn du von Otis sprichst, kannst du dir das Weiterreden sparen.«
Zweiundzwanzigstes Kapitel
P ervis saß mit weißen Socken, in Unterhose und Unterhemd da. »Du siehst aus wie ein Proll, der seine Frau schlägt«, sagte Rita zu ihm. »Ich bin aber nicht deine Frau, du darfst also nie wütend werden und mich verprügeln.«
»Du bist doch meine Herzallerliebste«, sagte Pervis, »der ich mein Geschäft, meine Felder, mein Gras, meinen Berg und meinen Laden vermache, einfach alles.«
»Das habe ich mir immer gewünscht«, sagte Rita, »einen Laden zu haben, in dem die Kunden mit Gutscheinen bezahlen. Verarschst du mich auch nicht, von wegen, ich kriege alles?«
»Du weißt, mein Herz ist rein«, sagte Pervis. »Du kriegst das ganze Zeug, jedes kleinste Fitzelchen, das mir gehört.«
»Du bist der erste Mann, von dem ich je etwas bekommen habe, das von Herzen kommt. Normalerweise stammt alles, was ich kriege, von weiter unten.« In ihrem unschuldigen weißen Hemd, das über ihren weißen Slip hing, kam Rita zu Pervis und kuschelte sich in seinen Schoß. Sie sagte: »Glaubst du nicht, dass Dewey es mir ganz schön schwer machen wird?«
»Der arme Tropf wartet nur auf mein Ableben. So, wie ich mich fühle, werde ich allerdings ewig leben.«
Sie küsste Pervis auf den kahlen Kopf und steckte ihm die Zunge ins Ohr. »Willst du noch warten, bis wir zum Hauptteil des Abends kommen?«
»Ich dachte, wir rauchen ein bisschen was, während ich Druck aufbaue.«
Sie fuhr mit der Hand über Pervis’ Schädel.
»Dein Kopf hat schon richtig Farbe bekommen. Du hast dich verändert – du trägst dein Toupet kaum noch«, sagte sie und fuhr ihm mit der Zunge über den Kopf. »Du siehst jünger aus ohne das alte Ding, weißt du das eigentlich? So kriegst du zur Abwechslung mal ein bisschen Sonne ab.« Sie stand auf und ging in die Küche, redete aber weiter. »Ich weiß, dass wir noch Räucherspeck haben. Wenn du willst, brate ich dir einen Schwung Eier.«
»Wer könnte da Nein sagen?«, sagte Pervis. »Ich habe so einen Hunger, ich könnte glatt einem Stinktier den Arsch wegfuttern.«
»Liebling ...?«
»Ja ...?«
»Du weißt, dass du auf dem Herd eine Kaffeekanne stehen hast, in der eine Knarre steckt?«
»Wegen dem Ungeziefer«, sagte Pervis.
»Es ist eine .38er.«
»Wegen dem großen Ungeziefer.«
Am nächsten Vormittag beobachtete Raylan von einer baumbestandenen Stelle in Woodland Hills aus das Haus, in dem Carol wohnte. Fast zwei Stunden stand er auf seinem Posten, bevor die Limousine kam. Er sah Boyd aussteigen, klingeln und warten. Die Tür öffnete sich kurz, dann schloss sie sich wieder, und Boyd ging zurück zum Wagen.
Eine halbe Stunde später kam Carol in ihrer Levi’s und hochhackigen Schuhen aus dem Haus und setzte sich geschmeidig neben Boyd auf den Beifahrersitz.
Raylan stieg in den Audi, den er seit einigen Tagen nutzte, und fuhr der Limousine durch Harlan und Baxter hinterher.
Ungefähr eine Meile hinter Baxter auf der 413 sah Raylan die Limousine am Straßenrand halten, er bremste, fuhr im Schritttempo weiter und überholte Dewey – er war es tatsächlich, in seinem zu großen Anzug –, der die Straße entlangwanderte. Raylan ging davon aus, dass die Limousine auf ihn wartete. Aber nur wenige Sekunden später fuhr ein roter Pick-up mit seitlich aufgebrachtem M-T Mining-Schriftzug an Raylan vorbei und stoppte hinter der Limousine. Raylan hielt an einer Tankstelle, die schon lange außer Betrieb war. Im Rückspiegel sah er
Weitere Kostenlose Bücher