Reagans Satellit
einer Milliarde war? Wie konnte er vor die Öffentlichkeit treten und behaupten, die Welt lebe in tiefstem Frieden, daß die letzte Nuklearbombe vor zehn Jahren explodiert war und nur zu Testzwecken, daß der ökonomische Wettbewerb längst an die Stelle der uralten Methode der Kriegsführung getreten war? Die Chinesen würden den Satelliten nicht attackieren. Zum Teufel, der Vorsitzende Ch'ien würde am Eröffnungstag der Weltausstellung persönlich an Bord sein. Niemand würde einen Gewaltakt gegen die Weltausstellung verüben, nicht die Chinesen und nicht die Russen, weder die Kongolesen noch die Andorraner oder die Litauer. Die Staaten hatten es sich abgewöhnt, andere in die Luft sprengen zu wollen. Es gab subtilere Formen der Auseinandersetzung. Nur ein abwegig veranlagter, geistesschwacher Schmierer hinter der Schreibmaschine einer Schmutzblatt-Redaktion vermochte, um ein paar Zeilen zu füllen, auf einen solchen Gedanken zu verfallen.
Der Schaden war angerichtet.
Wer es auch war, er soll in der Hölle braten, wünschte Regan.
In der Not sah Regan sich gezwungen, es mit der Pressefreiheit nicht sonderlich ernst zu nehmen – und es verletzte seine persönliche Ethik, die Macht der Global Factors zu diesem Zweck einsetzen zu müssen. Er betrachtete es als Abstieg. Und vielleicht war es ein Abstieg ohne einen Halt.
Wer konnte wissen, ob diese hundert Wörter die Weltausstellung nicht schon ruiniert hatten? Und damit die Global Factors – und Claude Regan ebenso.
Gegenwärtig blieb ihm nichts anderes übrig, als die weitere Entwicklung abzuwarten. Er mußte warten und hoffen.
13.
Das alte Jahr neigte sich dem Ende zu. Der Dezember verrann in Schnee und Matsch. Regan flog weiterhin ständig von einer Seite des Kontinents zur anderen und wieder zurück, so wie andere Menschen zwischen der Stadt und einem Vorort verkehrten. Washington, Denver; Denver, Washington – allmählich vermochte er die beiden Städte nicht mehr voneinander zu unterscheiden, und die Kabine des Firmen-Jets wurde für ihn zur einzigen unveränderlichen Realität.
Der Arbeitsdruck nahm erheblich zu, da es kaum noch zehn Monate bis zur Weltausstellung waren. Verträge mußten abgeschlossen werden, Rechnungen waren zu begleichen und Finanzen zu sammeln.
Die Verkäufe von Obligationen gingen weiter, langsam aber stetig. Inzwischen war die Hälfte veräußert worden. Die Global Factors war noch mit Obligationen im Wert von 3 Milliarden belastet – 1,5 Milliarden als eigene Investition und weitere 1,5 Milliarden über ihre Scheinfirma, die Columbus Equities Corporation. Das Ergebnis war weder schlecht noch gut. Wurde die Weltausstellung ein Mißerfolg, mußte die Global Factors noch immer ernste Verluste einstecken.
Aber nicht länger Verluste solchen Umfangs, die einen Bankrott verursachen konnten. Die kritische Phase war durchgestanden: Der Satellit und der Fährbetrieb waren fertiggestellt, und man unterzog beides gegenwärtig den letzten Verbesserungen. Falls die Weltausstellung sich als finanzieller Fehlschlag erwies, konnte die Global Factors sich in ihrer Eigenschaft als Hauptgläubiger die Sachwerte aneignen. Zu einem Totalverlust würde es also nicht kommen. Die Global würden den Satelliten einfach als Vergnügungsstätte oder ähnliches und auf eigene Rechnung führen.
Regan hegte die feste Überzeugung, daß der Satellit sich langfristig als wahre Goldgrube erweisen würde.
Vorerst aber war die Situation wesentlich schwieriger als es ihm jemals vorgeschwebt hatte. Das Ammenmärchen von der Attentatsdrohung hatte keine größere Unruhe ausgelöst, doch die Buchungen blieben deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die erste Veranstaltungswoche war natürlich schon restlos ausverkauft. Jedermann, der sich für eine halbwegs bedeutende Person hielt, hatte einen Fährenplatz innerhalb der ersten sieben Tage nach Eröffnung der Weltausstellung gebucht.
Mit den späteren Terminen stand es jedoch weniger gut. Die Weltausstellung konnte kein Geschäft allein mit der Gunst von prominenten Gästen machen. Sie konnte nur zwei Jahre lang Umsätze erzielen, wenn der Durchschnittsbürger seine Ersparnisse zusammenkratzte, um an dem teilzuhaben, was mittlerweile auf allen Kontinenten als »größtes Abenteuer des Lebens« angepriesen wurde.
Und der Durchschnittsbürger, so sah es aus, nahm eine abwartende Haltung ein. Er stellte sich nicht an, um Tickets zu kaufen – noch nicht. Er zog es vor, dem Nachbarn den Vortritt zu
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