Rebecca
stand eine Bank, gegenüber Stühle, am Kopfende ein Bauernstuhl mit Armlehnen für Roelof. Rebecca wollte das Sonntagsservice herausholen, mit dem sie vor zwei Tagen Rob geholfen hatten, Elena zu beeindrucken, aber Suzan meinte, sie sollten nicht übertreiben. »Er wohnt schließlich in einem Wohnmobil. Perlhuhn, Quittenmus, Bratkartoffeln und eine Flasche Wein dazu. Ich glaube, das reicht schon.« Stirnrunzelnd sah sie Rebecca an. »Fühlst du dich nicht wohl?«
»Was er wohl damit gemeint hat, er habe Ärger bekommen?«
»Die Polizei war bei ihm.«
Wieder erschrak Rebecca. »Woher weißt du das?«
»Von dem Polizisten. Sie haben erst mit ihm geredet, bevor sie hierher kamen.«
»Davon hat mir die Polizistin gar nichts gesagt.«
Suzan zuckte mit den Schultern. »Wir haben noch Chips und Käsecracker, bitte verteile sie in Schüsselchen. Ob er Portwein trinkt? Nein, lieber Bier, glaube ich.«
Rebecca war am Tisch stehen geblieben und strich eine Falte glatt. »Aber warum sollte die Polizei ihm Schwierigkeiten machen?«
»Das musst du ihn fragen. Vielleicht ist er ein gesuchter Bankräuber.« Suzan hörte auf zu lachen, als sie Rebeccas Gesicht sah. »Ich würde an deiner Stelle nicht so viel darüber nachdenken. Ich habe den Eindruck, dass Dennis sehr gut für sich selbst sorgen kann. Die Gläser, Schatz.«
Dennis war überaus höflich, er hatte nur ein kleines Pils getrunken und einen einzigen Käsecracker gegessen, und als sie zu Tisch gingen, wartete er, bis Suzan und Roelof sich gesetzt hatten, bis er neben Rob auf die Bank rutschte. Eigentlich war das Rebeccas Platz, aber sie gaben ihn heute dem Ehrengast, weil er von dort aus auf das Wohnzimmer und die Fenster blickte anstatt auf die Wand, an der zwei Drucke der eigenwilligen Menschenbäume von William Kuyck hingen, die Roelof einmal von Suzan zum Geburtstag bekommen hatte. Dennis nahm sich kleine Portionen von dem Perlhuhn und trank nur ein halbes Glas Rotwein und er fing nicht an zu essen, bevor Suzan den ersten Bissen zum Munde geführt hatte.
»So etwas Gutes habe ich schon lange nicht mehr gegessen«, sagte er dann. »Ist das Hühnchen?«
»Perlhuhn«, antwortete Suzan.
»Und Mus aus eigenen Quitten«, sagte Roelof.
Dennis lächelte sie an. »Für mich war es früher schon etwas Besonderes, wenn wir Hähnchen mit Fritten und Apfelmus kriegten. Hier kommt man sich ja vor wie in einem Sternerestaurant.«
»Vielen Dank«, sagte Suzan. »Aber das hast du dir auch verdient.«
Sie schenkte ihm ein sonniges Lächeln, aber Dennis wandte den Blick nicht von Roelof ab. Rebecca fand, dass er wundervolle Augen hatte. Ein bisschen tief liegend, aber ausdrucksvoll, rätselhaft und so strahlend blau, dass sie dachte, er trüge gefärbte Kontaktlinsen. Aber nein, er trug bestimmt keine Linsen.
»Du hast es hier ja wunderbar getroffen«, sagte er zu Roelof. »Mit deinen Schafen, Hühnern und Gärten bist du völlig autark. Das reinste Paradies.« Dennis duzte Roelof mit einer Selbstverständlichkeit, als kenne er ihn bereits seit Jahren. Rob gegenüber verhielt er sich distanzierter, obwohl er viel jünger war. Aber das konnte daran liegen, dass er Roelof in einer Extremsituation kennen gelernt hatte, während er Rob heute zum ersten Mal sah.
Roelof lachte. »Ja, wenn wir den Steuerprüfer mit einem hübschen Osterlämmchen bestechen könnten und Becky so weit kriegten, in selbst gewebten Kleidern zur Schule zu gehen.« Er schwieg einen Augenblick. »Man braucht immer Geld«, sagte er dann. »Und dafür müssen wir hart arbeiten. Wir hoffen, irgendwann mal im Lotto zu gewinnen oder einen netten Sponsor zu finden, und dann machen wir unsere eigene Gärtnerei auf.«
»Warum hast du nur selten etwas Gutes zu essen bekommen?«, fragte Suzan.
Dennis wirkte für eine Augenblick verärgert, als wolle er sich nicht gern von Roelof ablenken lassen. Dann lächelte er und fragte: »Wie bitte?«
»Warum hast du nur selten Hähnchen mit Apfelmus bekommen?«
»Ach das.« Das Lächeln verschwand. »Das ist schon so lange her.«
»Entschuldige«, sagte Suzan versöhnlich. »Wir sind viel zu neugierig.«
»Es geht uns nichts an«, pflichtete Roelof bei.
»Meine Pflegeeltern hatten nicht viel Geld«, erklärte Dennis. »Mein Pflegevater arbeitete früher in einer Möbelfabrik, aber die ging Pleite und danach lebten die beiden von seiner Arbeitslosenhilfe und dem Geld, das sie für mich bekamen.« Er zuckte mit den Schultern. Sein Gesichtsausdruck blieb unbewegt,
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