Rebecca
lagen zu einem Haufen zusammengekehrt in einer Ecke ihres Kopfes, und niemanden außer ihr ging es etwas an. »Ich sehe doch unmöglich aus«, wehrte sie sich matt.
Suzan streichelte ihr über den Kopf. »Du siehst wunderbar aus.«
»Na klar. Miss Gelderland nach der Schlacht um Bagdad. Gibst du mir bitte einen Spiegel?«
Suzan streichelte sie weiter. »Nein, lieber nicht. Komm, sei tapfer, ja? Ich gebe ihr fünf Minuten. Okay?«
Rebecca seufzte. »Du erinnerst mich irgendwie an meine grässliche Handarbeitslehrerin.«
»Du bist also einverstanden.«
Suzan tätschelte Rebecca die Hand und verließ das Zimmer. Sie ließ die Tür offen und ebenso die Zwischentür zu dem anderen Flur. Rebecca konnte sie reden hören. »Kommen Sie mit. Nein, nur Sie allein, Mevrouw.« Schritte auf der Treppe und im Flur. Rebecca fuhr sich durch die wirren Locken. Ihr Zimmer war unaufgeräumt. Ein Poster von Brad Pitt hing an der Wand. Es widerstrebte ihr, über gestern Abend zu reden.
Eine Polizistin erschien in der Tür, Suzan hinter ihr. »Bitte lassen Sie uns für einen Moment allein«, sagte die Beamtin. »In Ordnung?«
Sie wartete die Antwort gar nicht erst ab, sondern machte Suzan die Tür vor der Nase zu. Rebecca war nervös, als habe sie selbst sich etwas zu Schulden kommen lassen. Sie war noch nie von der Polizei verhört worden. Und jetzt stand eine Polizistin mitten in ihrem Zimmer, in Uniform, inklusive Pistole am Gürtel. Rebecca kam es vor wie eine Invasion.
»Eigentlich müsste noch jemand dabei sein, wenn wir eine Minderjährige …«, begann die Polizistin. »Aber deine Mutter sagte, du wärst schon sehr selbstständig. Außerdem ist das hier ja auch kein Verhör, sondern ich habe nur ein paar Fragen an dich. Darf ich mich hierhin setzen?«
Außenstehende hielten Suzan oft für Rebeccas Mutter, jedenfalls wenn sie nicht weiter darüber nachdachten oder genauer hinschauten, denn sie hätte schon eine sehr junge Mutter sein müssen.
Die Beamtin hatte ihre Mütze unten gelassen. Ihre kurzen Haare waren blond mit ziemlich viel Grau darin. Sie wirkte wesentlich älter als Suzan. Rebecca musste zugeben, dass sie ein freundliches Gesicht hatte, trotz der spitzen Nase und der recht kühlen, grauen Augen hinter einer Brille mit dicker, brauner Hornfassung. Sie zog sich den Stuhl an Rebeccas Schreibtisch heran und drehte ihn zum Bett. Er knarrte, als sie sich daraufsetzte.
»Ich bin Ria Hamel von der Polizei in Geldermalsen«, stellte sie sich vor. »Heißt du nur Rebecca oder hast du noch andere Vornamen?« Sie lehnte sich zur Seite, um ein Notizbuch aus der Seitentasche ihrer Uniformjacke zu ziehen, und dabei schob sich der Griff ihrer Pistole hervor, als wolle die Waffe unbedingt heraus.
Rebecca sagte nichts.
Die Polizistin kritzelte in ihrem kleinen Buch herum, wie um ihren Kuli zu testen. »Das war bestimmt ein sehr schlimmes Erlebnis für dich«, sagte sie. »Falls du Hilfe brauchen solltest, haben wir für so etwas Spezialisten. Nach einer Vergewaltigung braucht man oft Unterstützung.«
»Ich bin nicht vergewaltigt worden«, entgegnete Rebecca.
»Du meinst, es ist nicht zu einer Penetration gekommen. Bist du sicher? Hat der Arzt dich untersucht?«
Rebecca spürte, wie sie errötete. »Ich weiß schon noch selbst, ob ich vergewaltigt wurde oder nicht.«
»Ist ja gut, tut mir leid.« Die Polizistin runzelte die Stirn.
»Ich wollte eigentlich keine Polizei«, sagte Rebecca dickköpfig.
»Davon weiß ich nichts. Vielleicht hat der Arzt bei uns angerufen.«
»Das würde er nie hinter meinem Rücken tun.«
»Dann war es eben jemand anders. Du hättest auch Anzeige erstatten können, oder deine Eltern. Du bist Opfer eines Verbrechens geworden, und es ist unsere Aufgabe, den Täter ausfindig zu machen, bevor er noch einmal eine junge Frau überfällt und dann vielleicht wirklich vergewaltigt. Oder womöglich noch Schlimmeres mit ihr anstellt. Das verstehst du doch, oder?«
»Schon«, sagte Rebecca. Ihre Lippen brannten, als sie sie aufeinander presste.
»Und selbst wenn eine Frau nicht bis zur letzten Konsequenz vergewaltigt wurde, kann sie sich vergewaltigt fühlen, und in dem Fall braucht sie möglicherweise Hilfe. Ich meine es doch nur gut.«
»Ich komme schon allein darüber hinweg«, sagte Rebecca. »Ich brauche keine Therapie.«
»Okay. Ich möchte ja nur, dass du über diese Möglichkeit Bescheid weißt.« Die Polizistin begann, sich Notizen zu machen. »Um welche Uhrzeit ist es
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